1965 – Oberschlesische Erinnerungen

wochenblatt.pl 2 godzin temu
Zdjęcie: Marschall, Fürst Józef Poniatowski springt auf seinem Pferd in die Elster bei Leipzig am 19. Oktober 1813. Ölgemälde von einem unbekannten Künstler, nach H. Vernet. Bildband: J. Wałek: Dzieje Polski w


Gerhard-Paul Fabian

Mit dem Tod des polnischen Marschalls, Fürst Józef Antoni Poniatowski, in den Fluten der Elster am 19. Oktober 1813, während der Endphase der Völkerschlacht bei Leipzig, hatten die Polen ihre Hoffnungen auf die „Wiedergeburt“ ihres Königreiches – mit Napoleon Bonapartes Hilfe – in den Grenzen vor der ersten Teilung im Jahr 1772 aufgegeben. Wie schon erwähnt, konnte man Bilder mit dem auf dem Pferd in den Fluss springenden Fürsten in jeder Schule vorfinden. In den Geschichtsbüchern ist allerdings nur kurz vermerkt worden, dass Fürst J. A. Poniatowski beim Versuch, die Elster mit seinem Pferd zu überqueren, ertrunken ist.

Eine Beschreibung der dramatischen Szenen an der Elster findet man im umfangreichen Werk Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814 von Dr. Heinrich Beitzke (1788–1867), einem preußischen Offizier aus Köslin/Pommern. In der vierten Auflage, Band zwei, aus dem Jahr 1883, Seite 134, ist festgehalten, dass die letzte Brücke über die Elster zu früh gesprengt wurde und damit der Rückzug der letzten napoleonischen Einheiten extrem erschwert war.

Marschall, Fürst Józef Poniatowski springt auf seinem Pferd in die Elster bei Leipzig am 19. Oktober 1813.
Ölgemälde von einem unbekannten Künstler, nach H. Vernet. Bildband: J. Wałek: Dzieje Polski w malarstwie i poezji (Geschichte Polens in Gemälden und Poesie), Warszawa 1987

Im genannten Werk wird die Situation wie folgt beschrieben:

„Nichtsdestoweniger musste es auf die noch kämpfenden Mannschaften einen erschütternden Eindruck machen, als sie plötzlich erfuhren, dass ihnen der letzte Ausweg abgeschnitten und dass ihre Rettung unmöglich war. Der Widerstand hörte auf, man drängte sich massenweise nach dem Flusse hin. Dieser, der selbst nach einem trockenen Sommer nicht seicht wird und dessen abfallende Uferränder für Pferde schwer zu erklimmen sind, war jetzt durch die heftigen Herbstregen tief und voll und ohne Schwimmen nicht zu passieren. Dem Marschall Macdonald gelang es, sich hindurchzuretten, nicht so glücklich war der Chef seines Generalstabes, Divisionsgeneral Dumoustier, der ertrank. Der Marschall Fürst Josef A. Poniatowski stürzte sich, bereits tödlich verwundet, auf einem scheuen Pferd bei Richters Garten in den Fluss und kam nicht wieder zum Vorschein. Allgemein geehrt wegen seines Heldentums und edlen Charakters, seiner hohen Schönheit wegen von beiden Geschlechtern bewundert, ein Neffe des letzten Königs von Polen und selbst, wie man glaubte, von Napoleon zu dieser Würde bestimmt, musste er hier auf so traurige Weise den Tod finden, der bei Freund und Feind aufrichtige Anteilnahme und bei seinem Volke die tiefste Trauer erregte. Alle Gärten und Räume längs des Flusses waren von Flüchtigen erfüllt, denen dringend und feuernd die im Siegesmut nachrückenden Verbündeten folgten. Viele, die sich durch Schwimmen retten wollten oder sich auf gut Glück dem Flusse anvertrauten, ertranken; andere wurden erschossen oder mit dem Kolben erschlagen, der Rest gefangen. Auch nach ein Uhr dauerte das Gefecht und die Gefangennehmung bei dem Ranstädter Tor noch fort. In den Vorstädten und auf dem Glatteis hatten alle Feindseligkeiten schon aufgehört, weil niemand mehr Widerstand leistete und jedermann das unabwendbare Schicksal stoisch entgegennahm. Der Überrest ganzer Brigaden und Divisionen stand ruhig mit Gewehr bei Fuß, um gleich darauf entwaffnet zu werden. Auch die Altstadt leistete keinen Widerstand mehr, und die Truppen von Bülow zogen unaufhaltsam hinein. Es war kurz nach ein Uhr, als der Kaiser von Russland, Alexander I., und der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III., durch das äußere und innere Grimmaer Tor ihren festlichen Einzug hielten… Leipzig atmete auf, es war mitten in dem entsetzlichen Kampf erhalten worden…“

So viel ein glaubwürdiger, objektiver Zeitzeugenbericht über die letzten Stunden der Völkerschlacht bei Leipzig.

Im Jahr 1813 ist Breslau zum Mittelpunkt der Erhebung gegen die Herrschaft Napoleons geworden. Viele Elemente haben zum Erfolg des Befreiungskrieges beigetragen. Ein wichtiger Impuls war der Aufruf An mein Volk von König Friedrich Wilhelm III., der unter anderem von den Breslauer Zeitungen im März 1813 veröffentlicht wurde.

Die Jahrhunderthalle in Breslau ist als Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1813 nach dem Vorbild des antiken Pantheons in Rom hundert Jahre später erbaut worden. Mit der 100 Meter hohen Iglica (Nadel) aus dem Jahr 1948 gehört dieses Bauwerk zu den Wahrzeichen der Stadt Breslau. In den letzten Jahren trägt die Halle, die über Jahrzehnte Hala Ludowa („Volkshalle“) genannt wurde, wieder ihren ursprünglichen Namen Hala Stulecia. Seit 2006 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe als „Pionierleistung des Stahlbetonbaus und der modernen Architektur“.

Breslau, Jahrhunderthalle; Ansichtskarte aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts
Sammlung: Gerhard-Paul Fabian.

Der polnische Nationalheld, Marschall Fürst Józef Antoni Poniatowski, hat seine letzte Ruhestätte in der Kathedrale auf dem Wawel-Hügel in Krakau gefunden. Ein Reiterdenkmal aus Bronze wurde 1832 vom berühmten dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770–1844) geschaffen. Nach vielen Zwischenstationen wurde die Skulptur 1965 vor dem Palast des polnischen Staatspräsidenten in Warschau aufgestellt. Sie zeigt den Fürsten im Gewand eines römischen Kriegers mit kurzem Schwert in der rechten Hand.

Bei Gelegenheit könnte man noch erwähnen, dass polnische Patrioten jede Gelegenheit nutzten, um Napoleons Gunst für nationale Interessen zu gewinnen. Sie überredeten – ein Beispiel – die schöne verheiratete Gräfin Maria Walewska (1786–1817) zu einer Beziehung mit dem Imperator: Sie sollte ihm – so ein Gerücht – stets ins Ohr flüstern: „Vergiss meine Heimat nicht.“ Filme über „Maria und Napoleon“ wurden unter anderem mit Greta Garbo gedreht. Bis heute gibt es eine geschätzte Gesichtscreme PANI WALEWSKA. Dieser Ausflug in die über Jahrhunderte entfernte Vergangenheit ist vielleicht ein wenig zu lang geraten – vielleicht jedoch nicht?

Es freute mich, dass ich die Gelegenheit hatte, Deutschland zu besuchen, nach dem Karl-May-Motto: „Land und Leute kennenlernen“. Bei diesem Besuch sind uns keine Einschränkungen bezüglich der Bewegung oder Äußerungen aufgefallen. Einen „Betreuer“ unserer Gruppe konnte man nicht erkennen; vielleicht gab es auch keinen. Das Programm des Varietés im Hotel CENTRUM präsentierte kritische Sketche, die angeblich die Meinungsfreiheit vortäuschen sollten. Das wurde überall bei internationalen Veranstaltungen praktiziert – Satire als Sicherheitsventil.

Übrigens kannten wir die „Spielregeln“. Man konnte nicht mit jedem über alle möglichen Themen reden. Das kannten die Oberschlesier noch aus der Vorkriegszeit. Die auf Mauern gemalte dunkle Gestalt warnte damals: „Psst, Feind hört mit“. Einen sowjetischen, am Fenster lauschenden Agenten konnte man sich eher nicht vorstellen, einen Gestapo-Mann, Polizisten oder übereifrigen Parteigenossen allerdings schon. Ich erinnere mich, dass im Sommer 1944 der Briefträger meine Mutter warnte: „Liebe Frau, seien Sie vorsichtig, dass Sie nicht dorthin kommen, wo Menschen ‘ausgeschwitzt’ werden“. Den Sinn dieser Aussage habe ich – damals sechseinhalbjährig – verstanden. „Auschwitz“ als Begriff war für mich kein Fremdwort gewesen.

Umschlag und Titelseite des Buches: Dr. Heinrich Beitzke, Geschichte der deutschen Freiheitskriege in den Jahren 1813 und 1814.

Mein Erstaunen in Leipzig weckte jedoch die Information, dass die dortigen Klassenfeinde – so die Bezeichnung unseres Reiseleiters – Fernsehprogramme aus der Bundesrepublik empfangen konnten. In den siebziger Jahren habe ich erfahren, dass meine Schwester, die damals mit ihrer Familie in Annaberg-Buchholz/Erzgebirge wohnte, sechs TV-Programme – jeweils zwei aus der DDR, aus Westdeutschland und aus der Tschechoslowakei – empfangen konnte.

Die globalen Ereignisse jener Zeit sind seit Monaten vernachlässigt worden. Hier eine Kurzfassung ausgewählter Berichte:

Am 24. Januar stirbt Winston Churchill, der zweimalige Ministerpräsident Großbritanniens, im Alter von 90 Jahren. Die Trauerfeier in London mit vielen prominenten Gästen wird von der Polnischen Filmchronik ausführlich präsentiert.

Im März 1965 eskaliert der Bombenkrieg in Vietnam. Beim Angriff auf die nordvietnamesische Hauptstadt Hanoi kommen Napalm-Brandbomben erstmalig zum Einsatz. Sie erzeugen Brände mit Temperaturen von mehr als 2.000 °C und treffen vor allem Zivilisten. Der Ausbruch eines Weltkrieges wird befürchtet; die östlichen Großmächte, die Sowjetunion und die Volksrepublik China, bleiben bei diskreter Unterstützung.

Am 18. März verlässt der sowjetische Kosmonaut Alexej A. Leonow das Raumschiff „Woschod 2“ und schwebt zehn Minuten mit Hilfe einer Versorgungsleitung frei im All. Die Weltöffentlichkeit nimmt diesen Weltraumspaziergang bewundernd zur Kenntnis. Mit diesem Unternehmen weitet die UdSSR ihren Vorsprung in der Weltraumtechnologie vor den USA aus. Mit „Early Bird“ setzen die Amerikaner am 6. April den ersten Nachrichtensatelliten auf die Umlaufbahn.

Zähneknirschend wird zur Kenntnis genommen, dass die Sowjetunion zum dritten Mal in Folge am 14. März in Tampere/Finnland Weltmeister im Eishockey wurde – vor der Tschechoslowakei und Schweden; die DDR belegte Platz fünf hinter Kanada. Die Gruppe B gewann Polen vor der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland.

Nach Möglichkeit werden wir in der Fastenzeit an traditionellen Gottesdiensten teilnehmen. Einen Auftritt haben wir auch in der Gleiwitzer Allerheiligenkirche, wo wir mit Ada ihren jüngsten Neffen Marek/Mark im Steckkissen zur Taufe halten. Das sollte unser letzter Auftritt in dieser Funktion sein. Neben uns war auch ein Offizier in Uniform als Taufpate im Einsatz.

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