Am 14. Februar feierte Doris Stempowska, die von Geburt an auf Schloss Fürstenberg lebt, ihren 90 Geburtstag. Wir erinnern die außergewöhnliche Lebensgeschichte der Jubilarin, die sich um die deutsche Minderheit besonders verdient gemacht hat.
Der Vater von Doris Stempowska war Hofstallmeister im fürstlichen Gestüt auf Schloss Fürstenstein. Die kleine Doris wohnte mit ihren Eltern in einer der Wohnungen für die Belegschaft des Schlosses. Noch heute erinnert sie sich an die sorglosen Kindertage: „Wir hatten es märchenhaft schön, wir konnten spielen, der Park war offen für uns, wir haben ja hier gewohnt… Wir waren nicht viele Kinder, aber es war eine märchenhafte Kindheit“, lächelt Doris Stempowska.
Kriegszeit und Neubeginn
Mit Beginn des Krieges wurde die Realität trauriger. 1943 wurde das Schloss von den Nationalsozialisten eingenommen. Die Familie musste ihr Zuhause verlassen.
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Erst 1945 bekam die Familie eine Wohnung zugesagt, das weiß Doris Stempowska noch ganz genau. Geflüchtet ist die Familie nicht, obwohl es im Februar mit dem Roten Kreuz-Zug möglich war, nach Bayern zu fliehen: „Meine Mutter hätte mit mir auch weggekonnt, aber mein Vater, und viele andere auch, war hier in den Flugzeugwerken kriegsverpflichtet. Und der durfte ja nicht weg. Und da sagten meine Eltern, wenn, dann zusammen. Und da sind wir hiergeblieben, wie verschiedene andere auch.“
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Foto: privat
Mit der neuen Grenzziehung kommt ein großer Umschwung auf die deutschen Bewohner von Schlesien zu. Ab 1947 geht die 12-jährige Doris in eine polnische Schule in Bad Salzbrunn. Innerhalb eines halben Jahres lernt sie Polnisch. „Ich muss sagen, ich hatte gute Lehrer. Das kann ich nicht abstreiten. Manche sind erstaunt, nicht alle meine Bekannten in anderen Schulen hatten so viel Glück.“
Die ganze Familie mütterlicherseits ist geflüchtet, die väterlicherseits wohnte in Teschen. Doris, die ein Einzelkind war, wuchs ohne Cousins und Cousinen auf. Später heiratete sie und bekam drei Kinder.
Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit, die zur deutsch-polnischen Versöhnung beiträgt, wurde Doris Stempowska schon viele Male ausgezeichnet.
Ihr Ehemann – ein deutschsprechender Pole aus dem Posener Gebiet, war ein ehemaliger Gefangener eines NS-Konzentrationslagers. 1967 war ein gemeinsamer Weggang in den Westen geplant, aber es klappte nicht. „Mein Mann hat keine Erlaubnis zur Ausreise bekommen, und da sind wir hiergeblieben“.
Leben als Deutsche in Polen
In den Gebäuden des Schlosses Fürstenstein wurde von der Polnischen Akademie der Wissenschaft ein Geophysisches Observatorium eingerichtet, in dem Doris Stempowska Arbeit findet. Sie ist schon eine erwachsene Frau, als sie die polnische Matura besteht. Wobei: In Niederschlesien war die deutsche Sprache nie wirklich verboten. 33.000 Deutsche sind in Waldenburg und Umgebung geblieben, viele waren Fachleute und arbeiteten in der Industrie. „Seit dem Herbst 1950 wurde bei uns Deutsch unterrichtet. Je nach dem Ort, wie viele Kinder da waren, gab es eine deutsche Klasse, in der viele Fächer auf Deutsch unterrichtet wurden“, erzählt die Zeitzeugin. Später, im Herbst 1957, wurde die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Waldenburg offiziell im Gericht registriert. Doris Stempowska ist zwischen Beruf und Familienleben gerne dort hingegangen. 1988 schreibt sie sich als Mitglied ein.
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1992 gründet die DSKG Waldenburg einen Chor. Doris ist dabei, bis heute. „Bei unseren Auftritten ist es grundsätzlich wichtig, dass wir Werke unserer alten schlesischen Komponisten singen und aufführen. So werden sie aufgeführt, geraten nicht in Vergessenheit, und alle können hören, wie schön sie sind“, beteuert Doris Stempowska. Die DSKG Waldenburg organisiert jedes Jahr im Herbst im Bad Salzbrunner Theater das Chorfestival „Beati Cantores“, das Doris Stempowska ins Leben gerufen hat.
Seit 2014 ist Doris Stempowska Vorsitzende der DSKG Waldenburg. Jeden Mittwoch trifft sie sich mit den Mitgliedern, plant etwas, auch, wann es stattfinden wird und nimmt an den Chorproben teil.
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Quelle: Schloss Fürstenberg/Facebook
Die von der DSKG Waldenburg organisierten Projekte richten sich auch an andere Minderheiten in der Region sowie an Schulen, wie z. B. das Sommersingen. „Das ist äußerst wichtig, wir können uns ja nicht isolieren! Wir haben hier in Waldenburg eine Jüdische Gemeinde, wir haben Franzosen, also Polen, die aus Frankreich hergekommen sind, und noch verschiedene andere. Und da arbeiten wir zusammen, treffen uns, wenn eine Veranstaltung bei denen ist, sind wir dazu eingeladen und umgekehrt. Wir laden zu jeder größeren Veranstaltung unsere Verwaltungsbehörden ein. Das ist ja angenehm, wenn man zusammenarbeitet“, erzählt Doris Stempowska.
Ehrungen
Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit, die zur deutsch-polnischen Versöhnung beiträgt, wurde Doris Stempowska schon viele Male ausgezeichnet. Um nur das Bronzene Verdienstkreuz der Republik Polen zu nennen und das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. „Ich muss offen und ehrlich sagen, für die Anerkennung bin ich dankbar. Aber alle unsere älteren Mitglieder waren erst einmal froh, dass wir etwas machen konnten. Unser Engagement war selbstverständlich. Wir haben nie daran gedacht, eine Belohnung zu bekommen“, resümiert Doris Stempowska. Mit ihrem ehrenamtlichen Engagement, u. a. im Deutschen Freundschaftskreis in Waldenburg und der Wohltätigkeitsgesellschafft der Deutschen in Schlesien, half Doris Stempowska anderen Menschen, Anschluss zu finden: an die deutsche Sprache und Kultur.