Hauptquartier in der Wolfsschanze
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation Nazi-Deutschlands. Trotzdem gibt es immer noch neue Einblicke in diese dunkle Zeit. Dr. Felix Bohr beschreibt in seinem Buch „Vor dem Untergang – Hitlers Jahre in der Wolfsschanze“ das Hauptquartier Hitlers in Masuren, wo entscheidende Schritte des NS-Regimes geplant wurden. Das Buch verbindet historische Genauigkeit mit eindringlichen Warnungen vor Totalitarismus – ein Werk, das gerade auch für die junge Generation wichtig ist.
Ein neuer Blick auf Hitlers Wolfsschanze
In diesem Jahr, dem 80. Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, die den Zweiten Weltkrieg beendete, erschien auf dem Buchmarkt ein äußerst interessantes Buch von Dr. Felix Bohr: „Vor dem Untergang – Hitlers Jahre in der Wolfsschanze“. Als ich mit der Lektüre begann, dachte ich sofort, dass es bereits unzählige Bücher über den Untergang Nazi-Deutschlands gibt. Doch ich bin der Meinung, dass es nie zu viele gute Bücher zu diesem Thema geben kann – umso mehr, als das Buch von Felix Bohr in seiner Art einzigartig ist. Es hat einen Mehrwert, weil der Autor den Lesern etwas Neues, bisher Unbekanntes erzählt und vor den Schrecken aller Formen des Totalitarismus in der Welt warnt. Eine solche Sichtweise auf die Kontinuität der Geschichte sollte nicht nur die nationale, sondern auch die europäische und weltweite Bildung leiten.
Felix Bohr repräsentiert eine vielversprechende neue Generation von Historikern, die frei von der Ideologie der Nachkriegszeit und des Totalitarismus sind. Er studierte Geschichte und katholische Theologie in Berlin und Rom und promovierte an der Universität Göttingen mit einer Arbeit über die deutsche „Kriegsverbrecherlobby“. Seit 2012 arbeitet er für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, wo er derzeit Leiter der Geschichtsredaktion ist.
Felix Bohr: “Vor dem Untergang. Hitlers Jahre in der “Wolfsschanze”.”Alltag und Entscheidungen im Nazi-Hauptquartier
Die Publikation besteht, neben einem Prolog und einem Epilog, aus acht Teilen. Der Autor rekonstruiert mit benediktinischer Präzision das Alltagsleben in Hitlers Hauptquartier bei Gierłoż/Görlitz in der Nähe von Kętrzyn/Rastenburg in Ostpreußen während des Zweiten Weltkriegs, wobei er sich auf zeitgenössische Berichte und bisher unveröffentlichte Dokumente stützt.
Er verbindet seine Berichte mit grundlegenden Fragen: Was erfahren wir über Hitlers Persönlichkeit aus den Berichten von Offizieren, Sekretärinnen, Nazi-Beamten, Köchen und Bediensteten? Wie haben das zunehmende Chaos und die paranoide Atmosphäre in dem abgelegenen Komplex die dort getroffenen Entscheidungen beeinflusst? Die detaillierten Beschreibungen des Autors liefern den Lesern eine präzise Analyse der höchsten Ebenen des Nazi-Regimes, das das deutsche Verbrechen gegen die Menschlichkeit geplant hat. Dieser heute beinahe vergessene Ort war das Entscheidungszentrum des Nazi-Terrors, in dem bis zu 2.000 Menschen lebten und arbeiteten. Die „Wolfsschanze“ war von 1941 bis 1944 das Hauptkommandozentrum der Nazis, unter anderem für den Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941. Für viele von uns ist dieser Ort mit dem Attentat von Claus von Stauffenberg im Juli 1944 verbunden. Der Autor stellt fest, dass die Jahre der „Wolfsschanze“ nicht nur die dunkelste Zeit der nationalsozialistischen Vernichtungskampagne und Vernichtungswut darstellen – unter anderem wurden hier grundlegende Entscheidungen zur „Endlösung der Judenfrage“ getroffen und zur Umsetzung angeordnet –, sondern auch entscheidende Wendepunkte in Hitlers Herrschaft bedeuten.
„Vor dem Untergang – Hitlers Jahre in der Wolfsschanze“ – Ein Buch, das Geschichte verständlich macht und vor den Gefahren des Totalitarismus warnt.
Beim Verfassen dieses Buches nutzt der Historiker sein journalistisches Können und seinen Stil, für die ich ihn bewundere, sowie sein umfangreiches historisches Wissen und die verfügbare Literatur. Dieser vielschichtige Ansatz macht das Buch äußerst interessant und originell. Es verbindet wissenschaftliche und literarische Qualitäten und ist sowohl wegen seiner vielfältigen und interessant dargestellten Themen als auch wegen seiner Reflexion über den Reportagejournalismus wertvoll. Der Autor verbindet gekonnt die Rolle des Reporters mit der Reflexion des Forschers. Das Buch ist perfekt aufgebaut und hervorragend geschrieben – mit einem leichten, einzigartigen Stil und einer ausdrucksstarken deutschen Sprachkultur hat es einen eigenen Wert.
Das Buch von Felix Bohr „Vor dem Untergang – Hitlers Jahre in der Wolfsschanze“ ist eine weitere wichtige Veröffentlichung, die die Möglichkeit bietet, das Wissen über den Untergang des Nationalsozialismus zu erweitern. Es ist wirklich erstaunlich, sensibel, aber auch kritisch in der Interpretation der Geschichte des ehemaligen Dritten Reiches. Es richtet sich in erster Linie an junge Menschen, die wenig oder gar nichts über die Ereignisse vor über 80 Jahren wissen. Und ehrlich gesagt ist es in einer Sprache geschrieben, die für die junge Generation verständlich ist.
Dr. Felix Bohr ist Historiker und Journalist Foto: Max Zerrahn.
Geschichte lebendig für die junge Generation
Vor 65 Jahren unternahm ich als 15-jähriger Schüler einer Handelsschule in Kętrzyn/Rastenburg zusammen mit meinen Klassenkameraden zum ersten Mal eine neun Kilometer lange Wanderung von Kętrzyn/Rastenburg nach Gierłoż/Görlitz zum Hauptquartier Hitlers – der Wolfsschanze. Was wir dort sahen, schockierte uns und weckte gleichzeitig unsere Neugier. Alles war zerstört. Niemand störte uns, und wir spazierten unbeschwert durch diese riesigen Betonruinen. Wir gingen damals ein großes Risiko ein.
Die Besichtigung der Ruinen von Hitlers Hauptquartier wurde erst nach 1955 möglich, d. h. nach der vollständigen Minenräumung des Geländes, und praktisch erst nach 1960, da die Vorbereitung der Anlage für touristische Zwecke viel Zeit in Anspruch nahm.
Bei meinen zahlreichen Besuchen an diesem historisch bedeutsamen Ort habe ich viele Touristen aus dem In- und Ausland gesehen. Der Besuch in Hitlers ehemaligem Hauptquartier stand auch auf dem Programm zahlreicher Schulausflüge, die zu dieser Zeit in Ermland und Masuren stattfanden.
In den Jahren 1960–2017 wechselten die Betreiber dieser Anlage mehrfach, die jeweils unterschiedliche, d. h. eigene Konzepte für ihre Nutzung hatten – allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Es kam sogar dazu, dass dieser Ort über einen längeren Zeitraum hinweg nicht so häufig besucht wurde, als wäre er in Vergessenheit geraten.
Seit 2017 ist die Forstverwaltung Srokowo/Drengfurth Eigentümerin und tatsächliche Verwalterin der „Wolfsschanze“ und hat einen sehr ehrgeizigen Plan zur Revitalisierung dieses ehemals wichtigen Kriegsobjekts entwickelt. Seitdem wird die Anlage wieder von immer mehr Schülern und Touristen besucht. Allerdings handelt es sich dabei noch um relativ kleine Gruppen. Um das ehemalige Hauptquartier Hitlers historisch besser nutzen zu können, ist es auch notwendig, EU-Fördermittel zu beantragen. Vielleicht wäre eine internationale Stiftung sinnvoll, um vor den schrecklichen Folgen jedes sich anbahnenden Totalitarismus zu warnen.
Um auf das Buch von Felix Bohr zurückzukommen, ist anzumerken, dass es immer mehr Leser findet. Im ersten Halbjahr 2025 wurde es erstmals veröffentlicht und noch im selben Zeitraum neu aufgelegt. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch über Hitlers ehemaliges Hauptquartier, das sich seit achtzig Jahren auf polnischem Gebiet, genauer gesagt in Masuren, befindet, bald auch ins Polnische übersetzt wird.
Alfred Czesla





