Die Lipka-Tataren, eine 600-jährige Geschichte in Polen und Litauen
In der „Nacht der Museen 2025“ stellte sich die tatarische Minderheit mit Vertretern der Stiftung Tatarischer Kulturverein im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der deutschen Minderheit vor.
Es gab eine Präsentation und ein anschließendes Gespräch, bei dem Fragen gestellt wurden. Später wurde noch etwas typisch Tatarisches zubereitet und von den Besuchern probiert. Doch wer sind die Tataren und warum leben sie im heutigen Polen? Wo kommen sie her und was macht sie so einzigartig?

Quelle: Facebook, Fundacja Tatarskie Towarzystwo Kulturalne
Die 600-jährige Geschichte der Lipka-Tataren
„Die Geschichte ist sehr wichtig – wie wir hierher nach Polen gekommen sind, in die polnischen Länder und die Länder des Großfürstentums Litauen. Die Identität ist sehr zentral, das heißt, das Bewusstsein, woher wir kommen, wer wir sind. Auch die Tradition und Kultur, die wir jeden Tag pflegen und die wir versuchen, für künftige Generationen zu bewahren.“
– Róża Chazbijewicz, Vorsitzende der Stiftung Tatarischer Kulturverein
Die Lipka-Tataren haben eine 600 jährige Geschichte, die sie mit Polen verbindet und sehen sich in erster Line als polnische Tataren
Die mongolischen Herrscher
Im 13. Jahrhundert kam die Goldene Horde nach Europa. Diese bestand in ihrer Elite aus Mongolen, hatte jedoch bereits viele Turkvölker unterworfen, die nun Teil des Heeres waren. Zu diesem Zeitpunkt waren es fremde Invasoren, die Europa plünderten und mehrmals europäische Armeen – etwa bei Liegnitz (1241) – besiegten.

Quelle: Wikipedia
Nachdem sich die Goldene Horde allmählich als Staat mit Zentrum in der Stadt Sarai an der Wolga, nahe dem Kaspischen Meer, etabliert hatte, begann eine über 200 Jahre andauernde Herrschaft – sie war damit der größte Staat Europas.
Der Untergang der Goldenen Horde
„Die Mongolen wurden in den nächsten 100 Jahren dort absorbiert. Sie sind einfach weggeschmolzen. Am Anfang waren sie die Elite, und dann begannen alle möglichen Probleme im Zusammenhang mit dem Machterhalt. Diese Probleme der Machterhaltung bedeuteten, dass hin und wieder ein neuer Khan auftauchte.“
– Adam Jakubowski, Vorstandssekretär der Stiftung Tatarischer Kulturverein
Die ersten Lipka-Tataren

Quelle: Wikipedia
Im 15. Jahrhundert zerfiel die Goldene Horde endgültig. Viele Turkvölker spalteten sich ab – unter ihnen die Tataren, die sich unter anderem auf der Krim und in Kasan (Tatarstan) niederließen. Die ersten Lipka-Tataren („Lipka“, tatarisch für „Litauen“) waren Anhänger schamanischer Naturreligionen und flohen bereits vor dem offiziellen Niedergang nach Litauen – wegen der zunehmenden Islamisierung der Horde.
Am Ende des 14. Jahrhunderts kamen – unter Einladung des Großfürsten Vytautas – auch muslimische Tataren nach Litauen. Sie wurden enge Verbündete, die bei der Schlacht von Tannenberg (1410) gemeinsam mit Polen und Litauern gegen den Deutschen Orden kämpften.
„In jeder Periode dienten die polnischen Tataren als polnische Soldaten und wurden durch all die Schlachten berühmt, die die Polnisch-Litauische Union während dieser 600-jährigen Geschichte schlug.“
– Adam Jakubowski
Die Türkenkriege und Jan III. Sobieski
1672 kam es aufgrund von ausstehendem Sold und Einschränkungen der Rechte bei den Tataren zu einer kurzfristigen Rebellion. Doch Jan III. Sobieski, den die Tataren bis heute sehr schätzen, verbesserte ihre Lebensbedingungen und die Tataren bewährten sich erneut als treuer Bestandteil des Heeres – sowohl gegen die Schweden als auch gegen die Osmanen.

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„Wir waren auch zusammen mit Jan III. Sobieski vor Wien (1683) und haben es vor anderen Tataren geschützt.
Die Lipka-Tataren haben in erster Linie eine Zugehörigkeit zur polnischen Nation, weil das unser Heimatland ist. Als die Tataren sich hier niederließen, fanden sie eine neue Heimat. Sie wehrten sich gegen die Tataren, die später kamen und in die Republik einfielen, um zu plündern.

Quelle: Facebook, Fundacja Tatarskie Towarzystwo Kulturalne
Es gab eine Kuriosität, dass jemand die Tataren damals, im 18. Jahrhundert, fragte: ‘Habt ihr ein Problem damit, euch gegen eure eigenen Glaubensbrüder zu stellen, weil sie Muslime sind?’ Und die Antwort eines tatarischen Offiziers lautete: ‘Nun, wenn ein Muslim in ein fremdes Land kommt, um zu plündern und zu morden, dann ist er wohl einfach ein schlechter Mensch, also haben wir kein Problem damit, schlechte Menschen zu bekämpfen. Wir kämpfen nicht gegen euch, wir kämpfen gegen die Eindringlinge.’

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Wir waren von den Anfängen der Schlacht von Grunwald (1410) bis zum Zweiten Weltkrieg (1939–1945) dabei. Und es ist auch wichtig zu erwähnen, dass in diesen historischen Zeiten – von der Besiedlung durch Fürst Vytautas über Jan III. Sobieski bis zum heutigen Tag – uns Tataren niemand verboten hat, unsere Religion zu bekennen, unsere Sprache zu benutzen oder unsere Traditionen und Kultur zu pflegen.“ – Adam Jakubowski
Die polnischen Tataren heute

Quelle: Facebook, Fundacja Tatarskie Towarzystwo Kulturalne
Die Nachkommen der Lipka-Tataren leben heute in Polen, Litauen und Weißrussland. Diese Gebiete gehörten einst zur Polnisch-Litauischen Union, weshalb sich die Tataren bis heute stark mit Polen verbunden fühlen.
Etwa 3.000 Tataren leben aktuell in der Republik Polen, vor allem in der Woiwodschaft Podlachien an der Grenze zu Litauen und Weißrussland.
„Am einfachsten ist es natürlich, die Region Podlasie zu besuchen, um die Überbleibsel unserer Kultur in Kruszyniany und Bohoniki zu sehen. Dort gibt es zwei historische Moscheen aus dem 18. Jahrhundert und Mizars – also tatarische Friedhöfe –, die besichtigt werden können und noch in Nutzung sind. Das sind Orte, die für uns unser Zuhause sind.“
– Róża Chazbijewicz
Die Stiftung: Tatarischer Kulturverein

Quelle: Facebook, Fundacja Tatarskie Towarzystwo Kulturalne
Die Stiftung Tatarischer Kulturverein ist eine der wichtigsten Vertretungen der Tataren in Polen. Wie bei der „Nacht der Museen“ im DAZ stellt sie regelmäßig die tatarische Kultur, Geschichte und Tradition vor und organisiert verschiedene Veranstaltungen.
Dazu gehören:
- das tatarische Tanz- und Gesangsteam Buńczuk,
- das Nähen traditioneller Trachten,
- das Kochen typischer tatarischer Gerichte,
- sowie sportliche Aktivitäten wie Bogenschießen.
„Vielleicht ergibt sich bei irgendeiner Veranstaltung die Gelegenheit, gemeinsam Pilaw zu kochen. Wir kochen auch dort. Da drüben in Białystok.“
– Adam Jakubowski, Vorstandssekretär der Stiftung Tatarischer Kulturverein
„Generell denke ich, es lohnt sich, uns kennenzulernen. Wir laden Sie nach Kruszyniany und Bohoniki ein. Dort ist die tatarische Kultur lebendig und Sie können uns persönlich treffen. Ich glaube, dass wir nicht untergehen werden und unsere Kultur über Generationen hinweg weiterleben wird.“
– Róża Chazbijewicz
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