Wie ist das eigentlich mit Erinnerungen, mit dem kulinarischen Gedächtnis, mit der Rückkehr in die Vergangenheit und dem bewussten Pflegen von Traditionen?
Unbestritten ist der Mohn eines der kulinarischen Bindeglieder Schlesiens. Angeblich kam er einst mit türkischen Händlern in unsere Gegenden. In der deutschen Esskultur war Mohn jedoch seit jeher bekannt und geschätzt. Wer liebt ihn nicht – Mohnkuchen, Mohnbabe oder eben Mohnpielen? Meine Familie zählt ganz eindeutig zur Gruppe der leidenschaftlichen Mohnliebhaber.
Mohnpielen oder Mohnklöße waren traditionell Frauensache: Urgroßmütter, Großmütter, Mütter und Tanten bereiteten sie zu Hause zu. In Oberschlesien gehörten sie zu den sieben Speisen am Heiligen Abend. Auch dem Vieh wurde davon gereicht – man glaubte, dies würde ihm Kraft verleihen.
Foto: Małgorzata JanikIn vielen Familien Niederschlesiens galten Mohnklöße als Weihnachtsdessert und wurden manchmal auch zu Silvester und Neujahr serviert. Warum gerade an diesen Tagen, bleibt unklar. In der Tradition symbolisierte Mohn Glück und Wohlstand. Kein Wunder also, dass Mohnklöße auch in der Literatur zu festlichen Helden wurden. Sie erscheinen etwa bei Theodor Fontane in Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812/13 oder bei Julius Stinde im Roman Die Familie Buchholz.
Foto: Beate M. RochAn den Mohn – so lautet eine Ode von Joachim Engelsmann, veröffentlicht 1910 im Schlesischen Weihnachts-Almanach. In den letzten Versen schreibt der Autor, dass kein festliches Schlesiertreffen ohne Mohn stattfinden könne. Denn hier, auf dieser Erde, schmecke er am besten.
Im Café Lucullus in Görlitz lassen sich Mohnpielen das ganze Jahr über genießen, ebenso auf dem alljährlichen Weihnachtsmarkt. Zur Auswahl stehen eine klassische Variante sowie eine zweite, verfeinert mit Eierlikörsoße und einem Hauch Schlagsahne. Beide sind eine nähere Bekanntschaft wert.
In der wunderschön handillustrierten Arbeit von Kurt Schmidt über Leben und Traditionen der Weber im Isergebirge lernen wir die Menschen als Liebhaber von Süßspeisen und Kaffee kennen – besonders von Mohnklößen und Mohnbabe. Klöße seien generell ein zentraler Bestandteil der regionalen Küche (Volkskunde des Webers im Isergebirge, Beuthen 1936).
Mohnklösse von Karin M. RochFoto: Karin M.Roch
Und nun kommt das Beste: In der Unterhaltungs-Beilage zum Oberschlesischen Wanderer von 1909 (Nr. 84) wurde eine Umfrage veröffentlicht. Meine Aufmerksamkeit erregte eine Antwort auf die Frage: „Warum heiraten Männer?“
Ein Befragter antwortete: „Ich habe geheiratet, weil meine Auserwählte so hervorragende Mohnklöße zubereitete, dass ich weder ihnen noch ihr widerstehen konnte.“
Quelle: SDB, Schlesische Zeitung, 1905, Nr. 914Schon lange weiß man: Der kürzeste Weg zum Herzen führt durch den Magen.
Wer Schlesien kulinarisch neu entdecken möchte und süße Speisen liebt, wird unweigerlich auch auf Mohnklöße stoßen. Man könnte sie als eine Art Mohnkuchen ohne Teig bezeichnen – reine Füllung, ganz ohne trockene Teigbestandteile.
Im Café Lucullus in Görlitz lassen sich Mohnpielen das ganze Jahr über genießen, ebenso auf dem alljährlichen Weihnachtsmarkt. Zur Auswahl stehen eine klassische Variante sowie eine zweite, verfeinert mit Eierlikörsoße und einem Hauch Schlagsahne. Beide sind eine nähere Bekanntschaft wert.
Mohnpielen von Karin M. RochFoto: Karin M.Roch
Interessanterweise enthalten historische Rezepte sowohl blauen als auch weißen Mohn. Ein solches finden wir im Großen illustrierten Kochbuch von Mathilde Ehrhardt aus dem Jahr 1904:
Rezept 1689. Mohnspeise oder Mohnpielen. Für 8 Personen.
½ l weißer Mohn wird mehrmals gewaschen, dann mit kochendem Wasser gebrüht und, nachdem dieses abgegossen ist, in das warme Ofenrohr gestellt. Hierauf wird der Mohn in der Reibschüssel mit ungekochter Milch fein zerrieben. Vier Milchbrötchen werden zuvor in Würfel geschnitten und mit Milch angefeuchtet. Diese geweichten Semmeln vermengt man nun mit dem Mohn und gibt 100 g sauber gewaschene Korinthen sowie 10 g fein gewiegte Mandeln dazu. Nachdem alles gut vermischt und nach Geschmack gesüßt wurde, füllt man die Mohnpielen in eine Glasschale und bestreut sie mit Zucker und Zimt oder garniert sie mit Makronen und kleinen Löffelbiskuits. Die Mohnpielen bilden sowohl an Silvester als auch am Heiligen Abend eine beliebte Speise.
Quelle: SDB Schlesische Zeitung, 1912, Nr. 892Ein zweites Rezept stammt von Karin M. Roch. Es hat mein Herz erobert – denn so kann ich Mohnpielen auch für meinen Vater zubereiten.
Mohnklöße für Diabetiker
Zutaten:
200 g Mohn
100 g Walnüsse
100 g Haselnüsse
50 g Butter
500 g ungesüßte Mandelmilch
flüssiger Süßstoff
1 Vanilleschote
Mandelaroma
2 Brötchen mit niedrigem GI
Zubereitung:
Die Brötchen in etwa 1,5 cm dicke Scheiben schneiden.
Mandelmilch mit Süßstoff aufkochen. Mohn und die restlichen Zutaten dazugeben und ca. 20 Minuten kochen, dabei regelmäßig umrühren, damit die Masse nicht spritzt oder ansetzt.
In einem Gefäß schichten: zuerst Mohnmasse, dann Brötchen, dann wieder Mohn – so fortfahren. Die oberste Schicht sollte stets aus Mohn bestehen.
Die Mohnklöße abkühlen lassen, damit sich die Aromen verbinden – am besten bis zum nächsten Tag im Kühlschrank. Nach Belieben dekorieren.
Zusammenfassend lässt sich mit Freude feststellen, dass auch jüngere Generationen Interesse an Mohnklößen zeigen. Eine kleine Umfrage in den sozialen Medien ergab, dass der „Mohnpudding“ – wie Mohnpielen oft genannt werden – nicht nur in Schlesien oder Deutschland, sondern sogar übersee bekannt, beliebt und zu den Feiertagen traditionell serviert wird.
Quelle: Digitale Wienbibliothek, Großes illustriertes Kochbuch von Ehrhardt Mathilde 1904Mohnklöße bleiben somit ein kulturelles Bindeglied, ein Symbol, das historische Umbrüche, familiäre Verwerfungen und Zeiten des Wandels überdauert hat. Und so wundert es mich kaum, dass auf die Frage: „Womit verbindest du Schlesien kulinarisch?“ fast immer die Antwort lautet: „Mohnklöße.“
Dies unterschreibe ich mit beiden Händen. Auch ich sehe vor meinem inneren Auge den Garten meiner lieben Großmutter, die raschelnden Mohnkapseln im Herbst, die wir anschließend auf dem Dachboden der Scheune aufhängten – dort warteten sie geduldig auf ihren großen Tag im Dezember.


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