Sonntag Exaudi
Lesungen: Jeremia 31,31–34; Johannes 16,5–15
Predigttext: Epheser 3,14–21
Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt.
Epheser 3,17–19
Glaube, Liebe und Erkenntnis – das sind die Schlüsselworte in diesem Text. Es geht hier um unser Verhältnis zu Gott.
Der Glaube – wird heute immer mehr zu einem Problem. Es geht heutzutage nicht mehr um den Gegensatz Glaube – Unglaube. Der christliche Glaube verliert seinen Inhalt und wird zu Gleichgültigkeit, zu einem Verlust an Interesse. Viele Menschen merken, dass sie ohne Gott genauso gut leben können wie mit ihm, und sie distanzieren sich von religiösen Praktiken. Das Problem liegt dabei tief in der Kirche und bei den Kirchenmenschen selbst – sie schaffen es oft nicht, ihre Zuhörer mit dem Evangelium zu erreichen. So wird die Verkündigung des Wortes Gottes zu einer der größten Herausforderungen der Kirche.
Die Liebe – das ist ein Gefühl, das uns näher ist als der Glaube. Denn selbst wenn wir nicht besonders gläubig sind, gibt es jemanden, den wir lieben – Eltern, Ehepartner, Kinder. Liebe muss man nicht unbedingt erklären, sie wird von (fast) allen erlebt. Sie bietet viele Möglichkeiten. Wir verlieben uns, wenn wir jemanden kennenlernen und spüren, dass wir ohne diese Person nicht leben können. So verwandelt sich das Verliebtsein in Liebe. Und wir lieben auch unsere Kinder, obwohl wir sie noch nicht kennen, wenn sie geboren werden. Wir lernen sie kennen, aber das hindert uns nicht daran, sie zu lieben. So ist es auch mit der Liebe Gottes zu uns – er liebt uns von Anfang an, ohne besondere Gründe zu brauchen. Die Frage ist, ob wir in unserem Leben seine Liebe erfahren und eine Antwort darauf geben.
Gott liebt uns von Anfang an und braucht dazu keine besonderen Gründe.
Die Erkenntnis – ist das dritte Schlüsselwort im Text. Um Gott zu erkennen, werden wir religiös erzogen – zu Hause, im Religionsunterricht und in der Kirche. Und genau hier liegt eine der größten Herausforderungen. Eine zu starke Fokussierung auf Gott und Religion kann manchmal kontraproduktiv wirken – das spüren wir in unserer Gesellschaft deutlich und sehen die Folgen. Nicht ohne Schuld sind auch die Kirchenskandale und der Umgang der Kirchen mit sensiblen Themen. Wir erhalten zwar gute Erkenntnisse, doch sie reichen nicht immer aus.
Wie also kann man Gott erkennen, an ihn glauben und ihn lieben?
Als Vierzehnjähriger begann ich, die Bibel zu lesen. Ich fing mit dem Alten Testament an – eine schwierige Lektüre, die mich aber noch nicht zum Glauben brachte. Ich gab jedoch nicht auf, und im Neuen Testament, bei den Evangelien, durfte ich Gott im Sohn Jesus begegnen. Seine Worte gaben mir Erkenntnis und den Impuls, Theologie zu studieren. Der Glaube und die Liebe folgten. So wurde das Christwerden für mich zu einem bewussten Lebensabenteuer. Dazu ist jede und jeder eingeladen – in welcher Reihenfolge auch immer: Glaube, Liebe oder Erkenntnis.
Amen.