Gleiwitz zwischen Erinnerung und Literatur

wochenblatt.pl 1 godzina temu
Zdjęcie: Małgorzata Makowska mit dem Buch Bieneks vor dessen Haus in Gleiwitz. Foto: privat


Interview mit Małgorzata Makowska

Mit Małgorzata Makowska, einer Gleiwitzerin, Kulturwissenschaftlerin, Polnischlehrerin und Projektmanagerin im Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ), sprach Andrea Polanski über das literarische Gesicht von Gleiwitz, die schlesische Identität sowie die Geschichte und Kultur der Region.

Wie kam es zu deinem Interesse an der Geschichte und Kultur Oberschlesiens, insbesondere Gleiwitz?

Ich bin eine Gleiwitzerin und habe diese Stadt wohl selbst lieben gelernt. Meine Familie stammt sowohl aus Oberschlesien als auch aus Lemberg. Meine Großmutter, die mich größtenteils großgezogen hat, war eine Repatriierte aus Lemberg und versuchte, mir Elemente dieser Kultur zu vermitteln. Ich wuchs also in der Verehrung Lembergs auf, aber mit der Zeit wollte ich Oberschlesien und Gleiwitz selbst immer mehr kennenlernen. Ich denke, das ist auch meinen Eltern zu verdanken, denn Geschichte war immer ein wichtiger Teil unseres Lebens. Es war auch mein Lieblingsfach in der Schule – ich habe mit Leidenschaft Weltgeschichte gelernt und mich im Laufe der Jahre immer mehr der lokalen Geschichte, unserer schlesischen Geschichte, zugewandt. In ihr habe ich begonnen, mich selbst zu finden.

Małgorzata Makowska.
Foto: privat

Gab es einen Moment, in dem du dachtest: „Das ist mein Thema”?

Ja, ich glaube, das wurde mir als Teenager klar, ungefähr zur Zeit meines Abiturs. Ich gehöre zu dem Jahrgang, der im Abitur in Polnisch eine Präsentation vorbereiten musste. Meine befasste sich mit dem literarischen Bild von Gleiwitz. Viele fragten mich, warum ich mir ein so schwieriges Thema ausgesucht hätte, aber ich hatte das Gefühl, dass ich es auf meine eigene Weise angehen musste. Das war meine erste Begegnung mit der schlesischen Literatur – damals las ich zum ersten Mal Texte von Horst Bienek und Julian Kornhauser. Das öffnete mir die Augen: Gleiwitz ist nicht nur eine reale Stadt, sondern auch eine, die wir in unserer Erinnerung und in der Literatur festhalten. Seitdem wusste ich, dass dies mein Thema ist – und das ist es bis heute geblieben.

„Gleiwitz ist nicht nur eine reale Stadt, sondern auch eine, die wir in unserer Erinnerung und in der Literatur festhalten.”

Was fasziniert dich an dieser Gleiwitzer Literatur am meisten?

Es ist etwas Unglaubliches – die Möglichkeit, die Stadt nicht mit eigenen Augen zu sehen, sondern mit den Augen von Schriftstellern, die dank ihrer Sensibilität das einfangen können, was uns im Alltag entgeht. Es sind literarische Spaziergänge durch Gleiwitz – ungewöhnlich, weil sie von Emotionen und Erinnerungen geleitet werden, die auf den Seiten von Büchern festgehalten sind. Diese Texte kann man wie Stadtführer lesen, die uns die verborgenen Schichten der Stadt offenbaren. Am meisten fasziniert mich jedoch, dass ich dank ihnen Gleiwitz auf ähnliche Weise erleben kann wie die Autoren, über die ich lese.

Ist dein Lieblingsbuch also Die erste Polka von Horst Bienek, oder gibt es noch andere Perlen der Gleiwitzer Literatur?

Es gibt wirklich viele Perlen der Gleiwitzer Literatur. Nicht nur Horst Bienek, sondern auch Wolfgang Bittner, Julian Kornhauser, Adam Zagajewski oder Tadeusz Różewicz. Ich muss jedoch zugeben, dass mich das Buch Drach von Szczepan Twardoch am meisten bewegt hat. Es ist ein Roman, in dem ich mich wirklich wiederfinde. Es ist eine Geschichte über mich, über uns, über die Schlesier. Unglaublich, tiefgründig und dabei teilweise in Gleiwitz angesiedelt. Ähnlich wie Pokora, ebenfalls von Twardoch.

Du bist Mitautorin der Literarischen Karte von Gleiwitz. Wie ist dieses Projekt entstanden und was wolltest du damit vermitteln?

Ja, das Projekt Literarische Karte von Gleiwitz entstand vor etwa sieben Jahren auf Initiative der Stadtbibliothek. Aufgrund meiner Interessen und Erfahrungen – Teilnahme an regionalen Konferenzen oder Leitung von Workshops zum literarischen Image der Stadt – wurde ich eingeladen, an der Erstellung mitzuarbeiten. Die Karte sollte vor allem jüngere Zielgruppen – Kinder und Jugendliche – dafür sensibilisieren, dass Gleiwitz nicht nur eine technische Stadt ist, die mit der Technischen Universität in Verbindung gebracht wird, sondern auch ein Ort mit einer reichen literarischen Tradition. Wir wollten zeigen, dass es sich um ein echtes literarisches Zentrum handelt. Unser Ziel war es, junge Menschen dazu anzuregen, bei Spaziergängen durch die Straßen von Gleiwitz die in der Literatur beschriebenen Orte zu entdecken und zu Büchern zu greifen, die diese Räume wieder zum Leben erwecken.

Kommen wir noch einmal kurz auf deine Familiengeschichte zurück. Du hast erwähnt, dass eine deiner Großmütter aus Oberschlesien, aus Gleiwitz, stammt. War das Thema deutsche Minderheit in deinem Leben präsent, bevor du deine Arbeit im Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit aufgenommen hast?

Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich bin in den zentralen Stadtteilen von Gleiwitz aufgewachsen. Das waren Stadtteile, in denen die schlesische Sprache und Kultur eher nicht präsent waren. Ich hatte also keinen täglichen Kontakt zur deutschen Minderheit. Natürlich wusste ich, dass es sie gibt, ich wusste auch, wo ich ihre Vertreter treffen kann, aber ich hatte keinen direkten Kontakt zu ihnen. In meiner Grundschule sprach niemand Schlesisch, daher war diese Sprache auch kein Teil meiner Kindheit.

Małgorzata Makowska mit dem Buch Bieneks vor dessen Haus in Gleiwitz.
Foto: privat

Später bist du zum Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit gekommen. Da hat sich alles geändert. Wie kam es dazu, dass du dort angefangen hast zu arbeiten?

Ich bin eigentlich zufällig zum Haus gekommen – ich habe die Stellenanzeige gesehen und dachte, dass dies genau der richtige Moment ist. Ich habe immer von einem Job geträumt, der es mir ermöglicht, meine Interessen zu verbinden: Bildung und Geschichte. Hier kann ich mich zu hundert Prozent verwirklichen.
Das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ) kannte ich übrigens schon lange – es ist eine in Gleiwitz sehr renommierte Einrichtung. Zum ersten Mal kam ich als kleines Mädchen damit in Berührung, als meine Mutter mich zu einer Literaturveranstaltung im ehemaligen Sitz des Hauses mitnahm. Daran nahmen unter anderem Kazimierz Kutz und Janosch teil. Damals wusste ich noch nicht, wer diese Herren waren, aber dieses Ereignis blieb mir in Erinnerung. Man kann also sagen, dass das Haus immer irgendwo in meinem Leben präsent war. Ich habe die Anzeige zufällig gesehen, aber die Entscheidung, mich hier zu bewerben, war sehr bewusst – es war mein Traumjob, der es mir ermöglichte, meine Leidenschaft für Geschichte, Bildung und Jugendarbeit zu verbinden.

Mit welchen Projekten beschäftigst du dich derzeit?

Ich leite die Projekte Vergessenes Erbe und – seit diesem Jahr – Deutsches Kulturhaus. Beide konzentrieren sich auf die Geschichte, Kultur und Traditionen der Region – mit besonderem Schwerpunkt auf Gleiwitz.

Inwieweit können diese Projekte lokal dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zwischen Polen, Schlesiern und Deutschen zu fördern?

Genau das ist ihr Hauptziel – Sensibilisierung und Verständnisförderung. Unsere Veranstaltungen, Treffen und Spaziergänge richten sich an alle: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, DFK-Mitglieder – an alle, denen das Erbe der Region am Herzen liegt. Wir möchten zeigen, dass Multikulturalität einen Wert darstellt. Was uns im städtischen Raum umgibt – die Architektur, Anordnung und Geschichte der Stadt – ist ein gemeinsames Erbe, auf das wir stolz sein sollten.

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