In Erinnerung an Schlesiens Klimakrise von 1806

wochenblatt.pl 7 godzin temu
Zdjęcie: Noch erkennbares Familiengrab an der westlichen Friedhofsmauer; im Hintergrund ein Teil des Niederdorfes Foto: Marcin Radzinski


Der Evangelische Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz bereitet sich auf eine große Re-formationsfeier im nächsten Jahr vor.Dazu finden Festveranstaltungen, Konzerte, Thea-teraufführungenund Vorträge statt, die zum Entdecken, Lernen und Mitfeiern einladen. Podien zu wissenschaftlichenund gesellschaftlichen Themen beleuchten die Ursprünge derReformation, diskutieren und betrachteninsbesondere die Situation im heute polni-schen Schlesien, zum Beispiel in Kesselsdorf (Kotliska).

Genaue Aufzeichnungen zumEntstehen und Werdegang des evangelischen Friedhofs inKes-selsdorfim niederschlesischen Kreis Löwenberg (Lwówek Śląski) sind mir noch nicht begeg-net, da das Kirchenbuch, das sicher entsprechende Angaben enthält, nicht zugänglich ist. Bleibt also die Vermutung, dass er etwa zeitgleich mit der Weihe des Kesselsdorferund We-nig Rackwitzer (Rakowice Małe) Bethauses 1743 angelegt worden sein könnte- rechts eines vom Niederdorf leicht ansteigenden Weges, zunächst die kleinen Gehöfte der Familien Ri-chard Bunzelund Wilhelm Scholz berührend, wenig später auf dem Windmühlenberg am Hungerkreuz ankommend.

Verfallene Grabstellen
Foto: Marcin Radzinski

Hungerkreuz ohne Sockel

In dessen Sockel aus Sandstein, einst neben der Bockwindmühle aufgestellt, so hielt es mein Freund Hans Rochner in seinem Buch „Kesselsdorf 1284 – Wenig Rackwitz 1340“ fest, war jener Spruch eingemeißelt: „Errichtet im Jahr, als der Scheffel Korn 12 Thaler war. Johann Gottlieb Tietze 1806“.
Zwar gibt es dieses Hungerkreuz noch heute, doch sein Sockel aus Sandstein wurde vor eini-gen Jahren gestohlen. Zwar wurde der Stein ersetzt, jedoch ohne Schriftzug.

Der evangelische Friedhof zu Kesselsdorf könnte zeitgleich mit der Weihe des Kesselsdorfer und Wenig RackwitzerBethauses 1743 angelegt worden sein.

Der verbreiteten Ansicht, dass damals die Truppen Napoleons auf ihrem Feldzug nach Russ-land das schlesische Land derart verwüsteten, dass die Menschen hungern mussten, weil kaum Getreide vorhanden war, können wir nicht zustimmen. Hingegen stieß ich, als ich mich mit dem Leben des Generalfeldmarschalls August Neidhardt Graf von Gneisenau (1760 bis 1831) und mit Theodor Heinzes „Geographisch-statistisch-geschichtliche Übersicht über den Kreis Löwenberg in Schlesien (1823)“ befasste, auf zwei Hinweise, die das Errichten dieses Hungerkreuzes zu erklären vermögen, nämlich seinerzeit eine ungewöhnlich heftige Naturkatastrophe.


Noch erkennbares Familiengrab an der westlichen Friedhofsmauer; im Hintergrund ein Teil des Niederdorfes
Foto: Marcin Radzinski

Demnach regnete es im Sommer 1805 im Gebiet um Löwenberg, Goldberg (Złotoryja) un-dJauer (Jawor) ununterbrochen, sodass das Korn auf dem Halm verfaulte und alsbald eine große Hungersnot einsetzte. Im nahen Greiffenberg (Gryfów Śląski), wo 1804 „eine Uebers-troemung des Quaißflusses (Kwisa) unerhoerten Schaden angerichtet“, entstand im folgenden Jahr „eine so drueckende Theuerung, dass der Sack Korn zu 20 Rthl. Courant [veraltet für Münzen, deren Materialwert dem aufgedruckten Geldwert entsprachen – Anmerkung des Autors] bezahlt werden musste. Alle uebrigen Lebensmittel stiegen verhaeltnismaeßig eben so hoch…“. 1 Scheffel Korn (Hohlmaß) = ca. 50 Liter: 12 Thaler (preußisches Geld) = ca. 300 g reines Silber. Es habe nicht viel gefehlt, dass Familien hätten Hungers sterben müssen. Das Hungerkreuz in Kesselsdorf samt seinem mahnenden Schriftzug erinnerte an jene schlimme Zeit.

Dieser Grabstein gibt noch her, dass hier eine Frau… „geborene Ritter“ bestattet wurde.
Foto: Marcin Radzinski

Friedhofsgeschichte

Aus meinem Verwandtenkreis, der auf dem evangelischen Gottesacker Kesselsdorf-Wenig Rackwitz die ewige Ruhe gefunden hat, ist mir lediglich Großmutter Anna Bunzel, geborene Ertner, namentlich bekannt. Wohl zwei Jahrzehnte vor meiner Geburt wurde sie dort christ-lich bestattet, wovon heutzutage nichts mehr wahrnehmbar ist. Mit Flucht und Vertreibung der deutschen Schlesier war zugleich das Schicksal der allermeisten evangelischen Friedhöfe Niederschlesiens besiegelt – sie wurden nach 1945 kaum noch „gebraucht“ und sind deshalb allmählich verfallen, auch der Kesselsdorfer evangelische Friedhof.
Doch wie weiter? Während es in Schreiberhau (siehe Text oben, Anmerkung der Redaktion) gelingt, mit vereinten Kräften, dem evangelischen Friedhof seine Würde zurückzugeben, wolle sich diesem Anspruch auch der Kesselsdorfer Pfarrer Remigiusz Tobera stellen, sobald die Rekonstruktion der St. Nicolai-Kirche zur Friedhofskapelle vollendet ist. Der Bischof in Liegnitz (Legnica) habe dieser Idee zugestimmt…

Werner Guder/kan

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