Über den 80. Jahrestag der Oberschlesischen Tragödie sprach Manuela Leibig mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden der SKGD, des VdG sowie des Oppelner Sejmiks.
Bei der Sitzung des Regionalparlaments der Woiwodschaft Oppeln (Sejmik) am 17. Dezember wurde ein Beschluss verabschiedet, mit dem das Jahr 2025 zum Jahr der Oberschlesischen Tragödie in der Woiwodschaft Oppeln erklärt wurde. Damit soll an die dramatischen Ereignisse vor 80 Jahren erinnert werden, die zu viel Tod und Leid geführt haben.
Wie in dem Beschluss zu lesen ist:
„Die Erklärung des Jahres 2025 zum Jahr der Oberschlesischen Tragödie wird eine Gelegenheit bieten, den Opfern zu gedenken, aber auch eine symbolische Wiedergutmachung für diejenigen zu leisten, deren Leben von dem damals begangenen Unrecht geprägt wird.“
Ein ähnlicher Beschluss wurde auch in der Woiwodschaft Schlesien verabschiedet.
Wie lange musste dafür gekämpft werden?
Dass es dazu kommt, dass das Thema überhaupt wahrgenommen wird, dem sind tatsächlich Gespräche, Diskussionen, Konferenzen, der letzten 15 Jahre vorausgegangen.
Die erste politische Spur zu dem Thema?
Ich habe mir das angeschaut: die erste Resolution zu dem Thema hier in der Woiwodschaft Oppeln gab es 2012. Da hatte das Regionalparlament schon einmal darüber gesprochen. Aber dass es so wahrgenommen wird und dass man darüber in der Öffentlichkeit spricht, das passierte, glaube ich, in den letzten 10-15 Jahre.
Das Kalendarium der Veranstaltungen zur Oberschlesischen Tragödie 2025 finden sie HIER
Welche Schwerpunkte wird – im Hinblick auf das traurige Jubiläumsjahr – der Verband deutscher Gesellschaften setzen?
Wir haben als Verband Deutscher Gesellschaften bereits ein Kalendarium über das, was unsere Mitgliedsorganisationen im Hinblick auf die Tragödie der Deutschen im Osten organisieren werden, erstellt. Wir müssen natürlich auch akzeptieren, dass wir in der Region, in der wir hier leben, offen über die Oberschlesische Tragödie sprechen. Aber die gleiche Tragödie betraf auch die Menschen in Pommern und in Ostpreußen. Das müssen wir in Bezug auf diese Formulierung stets vor Augen haben. Auch im Nordosten planen unsere Organisationen Veranstaltungen.
Warum wird so viel unternommen?
Aus meiner Sicht ist wichtig, dass man diese Breite der Veranstaltungen beibehält. Meines Erachtens ist jede Messe, die den Opfern gewidmet und meistens von den DFKs organisiert wird, jede Erinnerung in den kleinen Gemeinschaften, sehr wichtig. Die zentral stattfindenden Veranstaltungen in Lamsdorf und Schwientochlowitz-Zgoda sind symbolisch sehr wichtig. Zudem werden sie auch am ehesten von den Medien aufgegriffen, die sehr zur Verbreitung des Wissens über dieses immer noch Nischen-Themas beitragen. Trotzdem aber können diese zentralen Veranstaltungen jene kleineren örtlichen nicht ersetzen.
Wir müssen uns bewusst sein, dass es nach dem Zweite Weltkrieg 100 Nachkriegslager für Deutsche in Polen gegeben hat.
Warum?
Wenn wir nur bei Lamsdorf oder Schwientochlowitz-Zgoda bleiben, gibt es immer die Gefahr, dass jemand denken kann, das geschah nur an diesen Orten. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg allein in Polen 100 Nachkriegslager für Deutsche gegeben hat. Dass es in jedem Dorf Opfer der Tragödie nach 1945 gegeben hat, dass es Menschen gab, die von Sowjets erschossen wurden, dass Menschen in Haft landeten und von polnischen Milizen umgebracht wurden. Von solchen Beispielen gibt es Hunderte. Und deswegen ist es wichtig, das herunterzubrechen und zu zeigen, dass betrifft auch dich, das betrifft auch dein Dorf. Und da stören manchmal die zentralen Veranstaltungen sogar ein bisschen, wenn man sich nur auf dieser großen Ebene orientiert. Deshalb werden wir auch weiterhin versuchen, die Gedenkveranstaltungen möglichst breit gefächert abzuhalten.
Wie stehen unsere Mitglieder der deutschen Minderheit im Norden Polens zu dem Namen „Oberschlesische Tragödie“?
Ich glaube, sie haben wahrgenommen, dass es hier bei uns zu einem politischen Thema geworden ist – im Gegensatz zum Norden Polens, wo viel weniger Deutsche leben, und wo die Thematik nicht so breit wahrgenommen wird. Nichtsdestotrotz, dort wo unsere Strukturen aktiv bleiben, nehmen die eingeladenen Vertreter der Selbstverwaltungen auch oft an den Veranstaltungen teil. Es hängt immer von der Initiative ab, von der Wahrnehmung der Initiative. Ich kann hier nur sagen, die Veranstaltungen in Gdingen, wo es um den Untergang der mit Zivilisten besetzten Schiffe, u. a. Gustloff und Goya geht, sind immer gut und hochrangig besucht, beispielsweise von der Generalkonsulin aus Danzig. Ich glaube, es ist schon wichtig, wie man das Thema angeht, dass man offen darüber spricht. Weil es eine Tragödie der Deutschen im Osten gab, auch derjenigen Menschen, das muss man klar sagen, die einfach als Deutsche wahrgenommen wurden. Obwohl sich vielleicht nicht alle deutsch gefühlt haben, gerade hier in Oberschlesien, war es sehr oft unterschiedlich. Aber letzten Endes wurden sie mehr oder weniger für das Deutschtum bestraft.
Jahrzehntelang musste in Polen über dieses Thema geschwiegen werden.
Es sind 80 Jahre nach dem Krieg, also leben viele Zeitzeugen nicht mehr. Ich würde fast sagen, es ist jetzt die letzte Gelegenheit, tatsächlich Zeitzeugen zu treffen und zu sprechen. In 10 Jahren wird es wahrscheinlich unmöglich sein. Umso mehr sollten wir diese Gelegenheit nutzen, noch einmal auf die damaligen Geschehnisse aufmerksam zu machen. Denn das ist ein Thema, das in Polen nicht zu Ende aufgearbeitet wurde. Wir haben als Zivilgesellschaft diesbezüglich unglaublich viel unternommen, viele Initiativen gestartet und die Regionalparlamente haben sich damit beschäftigt. Aber so, im Großen und Ganzen, wenn man sich die Öffentlichkeit anschaut oder die Diskussionen, beispielsweise im polnischen Parlament, in den polnischen öffentlichen Medien, findet man nicht viel über diese Tragödien – darüber, was die Bevölkerung, die dann aus verschiedenen Gründen auch hier geblieben ist, wirklich erlebt hatte.
Das Kalendarium der Veranstaltungen zur Oberschlesischen Tragödie 2025 finden sie hier:
Tragedia roku 1945