Vom Gänsebraten zum Martinshörnchen. Eine schlesische Genussgeschichte
Der Martinstag hatte einst in Schlesien – wie jedes Fest – seine feste Ordnung. Auch kulinarisch. Der Auftakt begann auf dem Markt, wo prächtige Gänse das Angebot bestimmten. Man sagte: „Zu St. Martin schmeckt die Gans am besten.“
So war es wohl auch im Jahr 1926, als die Beilage Oberschlesien im Bild eine Fotoreportage über die Vorbereitungen auf das Fest veröffentlichte: Die einen kaufen, die anderen verkaufen – Hauptsache, es gibt Gans!
Auch in der Breslauer Ausgabe von Schlesische Zeitung (1913) liest man, dass kein rechter Martinstag ohne eine gebratene Gans denkbar sei – eine Tradition, die sich auf die alte Legende um den heiligen Martin zurückführt.
Zahlreiche Anzeigen und Reklamen aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert belegen, welchen besonderen Rang dieser Tag und seine typischen Gerichte einst hatten.
Süße Traditionen – das Martinshörnchen und seine Geschichte
Ein weiterer Klassiker – ebenso festlich, wenn auch heute eher mit Poznań verbunden – waren die Martinshörnchen, die früher in Konditoreien und Cafés in ganz Schlesien zu finden waren.
Foto: Śląska Biblioteka CyfrowaIn der Zeitung Der Oberschlesische Wanderer (1905) liest man, dass diese Martinshörnel nach altem Brauch gebacken wurden, um das Martinsfest zu feiern.
„Von der Gans bis zum Hörnchen – der Martinstag war in Schlesien ein Fest für alle Sinne und ein Stück gemeinsamer Erinnerung.“
Die Form des Gebäcks erinnert an das verlorene Hufeisen des Pferdes des heiligen Martin – ein Symbol, das sich über Jahrhunderte in den Backstuben erhalten hat. Kinder liebten diese Hörnchen besonders, nicht nur wegen des süßen Geschmacks, sondern auch wegen der Gelegenheit zu kleinen Streichen.
Foto: Śląska Biblioteka CyfrowaEine Anekdote erzählt von einem Lehrer, der statt eines echten, rosinengefüllten Martinshörnchens nur eine Kreidezeichnung davon auf der Tafel fand, mit dem lateinischen Kommentar: Tempora sunt mala – „Die Zeiten sind schlecht“.
Wie wahr – manchmal muss man sich mit dem Gedanken an Süßes begnügen, wenn der Genuss gerade nicht greifbar ist.

Eine Kuriosität: Im November 2017 brachte die Polnische Post eine Sondermarke zu Ehren des Rogal świętomarciński heraus.

Neben der Marke erschien auch ein passender Briefumschlag und ein Sonderstempel – entworfen von Agnieszka Sancewicz. Eine köstlich gelungene grafische Hommage an das kulinarische Erbe der Region.
Foto: Śląska Biblioteka CyfrowaDer St.-Martins-Hörnchen ist heute in das EU-Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben eingetragen. Das bedeutet: Nur in Poznań und der Region Großpolen darf er nach genau festgelegtem Rezept hergestellt werden. Sein unverwechselbarer Geschmack entsteht aus einem blättrig-feinen Hefeteig und einer Füllung aus weißem Mohn, verfeinert mit Vanille, Nüssen, Rosinen und kandierter Orangenschale. Ein Hörnchen muss zwischen 150 und 250 Gramm wiegen – alles andere wäre ein Frevel am Original.
Foto: Śląska Biblioteka CyfrowaDie Tradition dieser „süßesten Wahrzeichen von Poznań“ entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ist bis heute untrennbar mit den Feierlichkeiten zu Ehren des Stadtpatrons verbunden.
Doch auch jenseits der offiziellen Rezeptur darf man sich beim Backen der hausgemachten Martins-Hörnchen ein Stück Freiheit gönnen. Eine Version „à la maison“ darf ruhig etwas persönlicher, ja sogar üppiger ausfallen – ganz nach dem Geschmack und der Fantasie des Bäckers oder der Bäckerin.
Martinshörnchen mit weißem Mohn und Marzipan
Zutaten für den Teig:
20 ml Milch
500 g Weizenmehl
60 g Zucker
200 g weiche Butter
2 Eier (1 ganzes Ei und 1 Eigelb)
10 g frische Hefe
2 g Salz
etwas Vanillemark
MartinshörnchenFoto: Pixabay
Füllung:
250 g weißer Mohn
100 g Marzipanrohmasse
150 g zerbröselte Biskuits und/oder Butterkekse
150 g Zucker
40 g Butter
40 g Rosinen
50 g Mandeln
1 EL kandierte Orangenschale
25 ml Mandellikör
1 EL Sahne
Guss:
100 g Puderzucker
einige EL heißes Wasser
ein paar Tropfen Zitronensaft
gehackte Mandeln und Nüsse zum Bestreuen
Zubereitung:
Tag 1: Die zerbröckelte Hefe in lauwarmer Milch auflösen und verrühren. Ei und Vanillemark hinzufügen und gut mischen. Mehl, Zucker und Salz vermengen, Butter einarbeiten, Vorteig zugeben und verkneten. Den Teig ruhen lassen, dann mehrfach falten und kühlen. Über Nacht in den Kühlschrank legen.
Tag 2: Füllung vorbereiten, Hörnchen formen und goldbraun backen. Anschließend mit Zuckerguss bestreichen und mit Nüssen bestreuen.


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