Mit Karolina Trela, einer prominenten und charismatischen Künstlerin der deutschen Minderheit und Leiterin des öffentlichen Kindergartens „Gebrüder Grimm“ in Leschnitz, sprach Krzysztof Świerc.
Du gehörst seit Jahren zu den beliebtesten Künstlern der deutschen Minderheit. Das hast du unter anderem dadurch bestätigt, dass du einen der prestigeträchtigen Wettbewerbe gewonnen hast, die von unseren Medien veranstaltet werden. Erzähle uns bitte: Wie und wann entstand bei dir die Leidenschaft für die Musik, das Spielen von Instrumenten und vor allem für das Singen?
Die Leidenschaft für das Singen, Auftreten und Spielen von Musikinstrumenten wurde mir in die Wiege gelegt. Ich erinnere mich, dass ich schon als 6-jähriges Kind, als ich auf einem Fest der deutschen Minderheit in Groß Stein war, den Moderiator sagen hörte, dass Kinder, die etwas singen und einen Preis erhalten möchten, gerne auf die Bühne kommen könnten. Sofort, ohne nachzudenken, eilte ich auf die Bühne. Einen Moment lang war meine Mutter entsetzt, weil ich plötzlich aus ihrem Blickfeld verschwunden war, aber nach einer Weile sah sie mich auf der Bühne singen und atmete erleichtert auf. In diesem Moment erhielt ich meinen ersten großen Applaus von dem zahlreichen Publikum! Ich platzte vor Stolz und meine Eltern merkten, wie sehr ich das Singen und Auftreten liebe.

Foto: Tomasz Chabior
Als 6-jähriges Kind zeigtest du damals große Spontaneität, aber auch einen Mut, der dich bis heute auszeichnet. Hattest du denn kein bisschen Angst?
Das hat mich meine Mutter damals auch gefragt. Meine Antwort war: Wovor soll ich denn Angst haben? Ich hatte wirklich keine Angst, keine Scham und keinen Druck, denn ich hatte ja schon im Kindergarten gesungen. Ich verspürte nur eine große Lust, aufzutreten, zu singen und natürlich, wie ein Kind, einen Preis zu bekommen.
Und wann bist du zu der Überzeugung gelangt, dass du eine Gabe, eine Ausstrahlung und ein Bühnentalent hast, für das du vom Publikum geliebt wirst?
Ich habe es nicht selbst verstanden. Und vielleicht wäre ich nie zu der Überzeugung gekommen, dass ich ein Talent habe, wenn mein Musiklehrer in der Grundschule, der inzwischen verstorbene Jan Herba, nicht gewesen wäre. Er war es, der mich darauf aufmerksam machte, dass ich unter anderem eine Begabung für das Singen hatte, und außerdem sagte er meiner Mutter immer wieder, sie solle das Talent ihrer Tochter nicht verschwenden. Er forderte sie auch auf, mir zu helfen, die Talente zu entwickeln, von denen er dachte, dass ich sie besäße. Herr Jan Herba dachte nicht nur an das Singen, sondern auch an das Erlernen von Instrumenten, was mir leicht fiel. Ich erinnere mich auch, dass er von meiner Mutter verlangte, mich zum Musikschulunterricht zu fahren. Er „erpresste“ meine Mutter geradezu damit, dass er mich zu diesem Unterricht selbst fahren würde, wenn sie es nicht täte.

Foto: Tomasz Chabior
Was war das Ergebnis dieses Gesprächs?
Meine Mutter fuhr mich fortan regelmäßig zur Musikschule und Herr Herba meldete mich auch noch in der Folkloregruppe Spod Buczyny an. Dabei stellte er mir die Aufgabe, einige Liedtexte zu lernen und zur Begleitung einer Tanzkapelle zu singen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, ebenso wie die Tatsache, dass wir bei verschiedenen Wettbewerben und Festivals auftraten. Irgendwann, als ich schon in der Oberschule war und immer noch in der Gruppe sang und verschiedene Veranstaltungen moderierte, sagte mein Bandkollege Jan Malaka zu mir: Du magst und kannst singen. Und wenn das so ist, hättest du dann nicht gerne deine eigene Musikband? Ohne zu überlegen, habe ich geantwortet: Ja, ja, ja! Und ich fügte hinzu, dass ich schon immer davon geträumt hatte, aber ich wusste nicht, mit wem ich eine Band gründen könnte. Janek aber sah kein Problem und antwortete: Gründet sie mit mir. Wenn du ja sagst, wird es eine Band geben, und wir nennen sie My (Wir) – und so kam es dann auch.
Das war der Moment, in dem deine künstlerische Karriere begann, sich schneller und in deinem Sinne zu entwickeln.
Oh ja. Gleich am nächsten Tag kam Janek Malaka mit einer Liste von Liedern zu mir, die ich mir aussuchen konnte, um sie zu singen. Das tat ich, und wir begannen zu üben und regelmäßig zu proben, bis der Moment für unseren ersten Auftritt kam. Er fand auf einem Dorffest in Krempa statt. Ich erinnere mich noch gut daran – unsere Emotionen kochten hoch, wir wollten so gut wie möglich abschneiden, was uns unter großen Druck setzte, denn wir hatten die Messlatte hoch gelegt. Andererseits waren wir sehr glücklich, dass wir uns präsentieren konnten. Das Adrenalin erreichte den Zenit, aber das Ergebnis war ein Traum – wir haben dem Publikum sehr gut gefallen. So sehr, dass wir Einladungen zu weiteren Events dieser Art bekamen, und so sang ich in der Band My, bis ich 19 war.

Foto: Tomasz Chabior
Wie ging es weiter? Du hast nicht mit dem Singen aufgehört…
Nein, aber es sah zunächst danach aus, denn meine Prioritäten wurden das Abitur, das Studium und die Familie, die ich gegründet hatte. Da habe ich mir gesagt: Karolina, Singen ist dir wohl doch nicht vergönnt. Aber tief in mir spürte ich, dass ich singen wollte, dass es immer noch in mir schwelte, wie ein schlafender Vulkan, und dass es eines Tages mit verdoppelter Energie und Kraft ausbrechen würde. Ich wusste auch, dass ich, wenn das geschieht und ich wieder singe, eine Solistin sein wollte, die selbst entscheidet, wann, wo und wie sie singt. Glücklicherweise machte mein Bandkollege Janek es mir leicht. Er war so ein guter Freund und Mensch, dass er sagte: OK, wenn du alleine sein willst und selbst entscheiden willst, wann und wo du singst, dann werde ich dir helfen. Ich werde dir ein paar Backing Tracks machen, die es dir viel leichter machen, diesen Traum zu verwirklichen. So geschah es dann auch und meine Leidenschaft für das Singen entflammte erneut, denn als das Erntefest in Roswadze bevorstand, schlug ich selbst vor, dass ich dort singen könnte.
Und das Ergebnis?
Ich bekam die Gelegenheit dazu – und ich trat so gut auf, dass ich von da an alle möglichen Auftrittsangebote erhielt, die ich auch gerne annahm. Das war mein erfolgreiches Comeback auf der Bühne und beim Singen.

Foto: Tomasz Chabior
Dennoch und trotz der Tatsache, dass du dich über viele Jahre künstlerisch erfolgreich weiterentwickeln und dein Können stetig verbessern konntest, hast du lange gebraucht, um an den Punkt zu gelangen, an dem du ein Album deiner Träume aufnehmen konntest. Hierbei bist du nicht dazu gekommen, in den wichtigen Charts bestimmter Radio- und Fernsehsender präsent zu werden. Was glaubst du, war der Grund dafür? Was hat dich zurückgehalten?
Die Unsicherheit und die Angst, dass ich vielleicht doch nicht so gut bin wie die anderen, und wenn ich mich mit meinem Song oder meiner Performance auf ein breiteres Terrain wagen wollte, könnte es sein, dass ich auf Missfallen stoße, dass ich scheitere, dass ich abgelehnt werde. Trotzdem habe ich weiter geträumt und daran gearbeitet, den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen. Ich brauchte jedoch eine Art Anstoß, der mich beflügelte und mir ein Tor öffnete, um meine Karriere voranzutreiben.
Und dieser Anstoß kam.
Glücklicherweise ja! Und zwar nachdem ich die zweite Ausgabe des Wettbewerbs von Wochenblatt.pl für den beliebtesten Künstler der deutschen Minderheit gewonnen hatte. Und das, obwohl die Konkurrenz enorm war. Denn es waren auch viel etabliertere, bekanntere und erkennbarere Künstler als ich mit dabei. Viele von ihnen hatten auch ein umfangreicheres künstlerisches Schaffen als ich, und trotzdem habe ich gewonnen! Ich muss wohl niemanden davon überzeugen, wie glücklich ich war und wie viel Genugtuung ich immer noch empfinde.

Foto: Tomasz Chabior
Es war auch ein Neuanfang für dich, denn vieles in deinem künstlerischen Leben hat sich zum Positiven verändert.
Ja. Meine Karriere nahm vom Fleck weg an Farbe, Geschwindigkeit und Qualität zu, es begann nach Erfolg zu riechen. Ich fing an, Songs und Musikvideos zu produzieren und nahm mein erstes Album auf. Ich war stolz darauf, dass es vorwärts ging! Um mich herum herrschte ein echter Trubel, natürlich im positiven Sinne.
Wie sieht dein künstlerisches Leben jetzt aus und was sind deine nächsten Pläne?
Ich nehme Songs auf, gehe zu Shootings, ich bekomme viele Angebote, habe Pläne und Projekte. Zurzeit arbeite ich an meinem nächsten Musikvideo, mit dem ich das Publikum in den Woiwodschaften Schlesien und Oppeln ansprechen möchte. Worum es in dem Lied geht, möchte ich noch nicht verraten. Ich kann nur sagen, dass ich es selbst geschrieben habe und es einen Samba-Rhythmus hat. Gleichzeitig bereite ich mein zweites Album vor, das Lieder in deutscher oder schlesischer Sprache enthalten wird, woran ich nach wie vor festhalte. Ich habe aber auch ein Lied in deutscher Sprache geschrieben, für das die Musik bereits vorbereitet ist und das jeden Moment aufgenommen wird.

Foto: Tomasz Chabior
Ich weiß, dass das Lied auf Deutsch für einen besonderen Anlass vorbereitet ist, der dir besonders wichtig ist…
Das ist richtig. Konkret ist es für ein Konzert im Oktober dieses Jahres in Gogolin geplant, das dem 35-jährigen Bestehen der Oppelner SKGD gewidmet sein wird.
Neben deiner künstlerischen Arbeit bist du auch Leiterin des öffentlichen Kindergartens Gebrüder Grimm in Leschnitz. Sag‘ uns bitte, wie habt ihr die Zeit der Diskriminierung der deutschen Sprache als Minderheitensprache überstanden?
In meiner Gemeinde Leschnitz haben wir diese Ungerechtigkeit zum Glück nicht zu spüren bekommen, denn unser Bürgermeister Łukasz Jastrzembski hat uns immer dabei unterstützt, weiter Deutsch zu lernen. Dadurch hatten wir die gleiche Anzahl von Unterrichtsstunden wie vor der Einführung dieser Diskriminierung. Ich weiß, wovon ich spreche, denn mein Kind geht auf die Grundschule und hat in dieser unglückseligen Zeit noch von zusätzlichen Deutschstunden profitiert. In dem Kindergarten, in dem ich arbeite, war es genauso. Mehr noch, ich habe die Kinder während dieser unglücklichen Zeit persönlich in Deutsch unterrichtet. Später habe ich eine fantastische neue Lehrerin eingestellt, mit der wir gemeinsam dafür sorgen, dass den Kindern Deutsch beigebracht wird. Damit es mit viel Mumm und Spaß vermittelt wird, damit es den Kindern gefällt, sie auszeichnet und dazu führt, dass sie stolz darauf sind, anstatt zu sagen, dass zum Beispiel Englisch besser ist.

Foto: Tomasz Chabior
Was hältst du von der Wiedereinführung von Deutsch als Minderheitensprache mit 3 Stunden pro Woche?
Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Die Normalität ist zurückgekehrt. Eine Abnormität, die gar nicht erst hätte passieren dürfen, ist verschwunden!