Zum ersten Mal seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 hat die Bundesrepublik Deutschland mehr Waren nach Polen als nach China exportiert. Das mag unrealistisch erscheinen, aber das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2024 hervor, die von Reuters analysiert wurden.
Im Detail: Die Exporte nach Polen stiegen um 3,5 Prozent auf fast 94 Milliarden Euro. Insgesamt schrumpften die deutschen Exporte im vergangenen Jahr jedoch um 1 Prozent. Nach China hingegen sanken sie um 7,6 Prozent auf rund 90 Milliarden Euro. Dieser starke Rückgang ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Chinesen zunehmend Waren aus eigener Produktion kaufen, um ihre eigene Industrie zu unterstützen.
Polen knapp hinter dem Podium
Unter Berücksichtigung der neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist Polen zum viertgrößten Abnehmer von Waren „made in Germany“ geworden. Auf dem Treppchen stehen nach wie vor die USA, Frankreich und die Niederlande. Deutschland beliefert Polen traditionell vor allem mit Fahrzeugen, Maschinen und chemischen Produkten: „Ein großer Teil des Wachstums der deutschen Exporte nach Polen im Jahr 2024 ist auf die Automobilindustrie zurückzuführen“, erklärt Christopher Fuß von der Bundeswirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) im Gespräch mit Reuters.
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Die deutschen Automobilhersteller profitieren von der wachsenden Nachfrage auf dem polnischen Automobilmarkt. Firmenwagen als Bonus werden immer wichtiger – neben den Gehältern, meint Christopher Fuß. Aber auch in anderen Kategorien ist ein Wachstum zu verzeichnen. So haben die deutschen Exporte von Sanitärartikeln (Heizung, Badarmaturen, Keramik) und Mess-, Prüf- und Kontrollinstrumenten für wissenschaftliche Zwecke (Mikroskope, Laser etc.) ebenfalls deutlich zugenommen.
Wohlstand und Löhne steigen
Das liegt auch daran, dass Wohlstand und Löhne in Polen steigen. Allein im vergangenen Jahr stiegen die Löhne um 11 Prozent. Dadurch haben die Polen mehr Geld für hochwertige Bautechnik und Fahrzeuge, so die Einschätzung des deutschen Experten. Darüber hinaus investiert Polen in Forschung und Entwicklung, was die Nachfrage nach wissenschaftlichen Messgeräten antreibt. Auch deutsche Unternehmen profitieren vom polnischen Wirtschaftsboom.
Polen ist zum viertgrößten Abnehmer von Waren „Made in Germany“ geworden.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt in ihrem jüngsten Bericht fest, dass der Lebensstandard in Polen in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen ist: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat sich seit 2005 verdoppelt. Die OECD erwartet ein Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent in diesem Jahr und von 3 Prozent im Jahr 2026.