Als ich kürzlich einen Saft aus frisch gepressten spanischen Orangen trank – gepresst 24 Stunden, nachdem die Orangen vom Baum gepflückt worden waren, wohlgemerkt! –, musste ich plötzlich an meine Sommerferien in Deutschland bei Tante Dora und Onkel Leo in Lippstadt denken.
Es war Mitte der 90er-Jahre, und in Polen steckte der Kapitalismus noch in den Kinderschuhen. Die Läden füllten sich erst langsam mit Produkten, die wir sonst nur aus den Paketen kannten, die uns eben Tante Dora aus Deutschland geschickt hatte.
Wenn meine Schwester und ich im Sommer zu ihr fuhren, wollten wir luxuriöse Erlebnisse auf Vorrat sammeln. Das bedeutete unter anderem Einkaufsbummel in den Lippstädter Geschäften, bis uns die Füße wehtaten.
Aber wir waren vor allem Kinder – und Kinder sehnen sich nun mal nach Süßigkeiten. An diesen unvergesslichen Sommertagen ernährten wir uns also von Zucker und Schokolade, bis uns schlecht wurde, und schauten deutsche Talkshows.
Ach, wie viele Super Dickmann’s ich damals gegessen haben muss! Das Leben hätte nicht schöner sein können.
Und wir hatten noch eine große Schwäche: Orangensaft. Er schmeckte nach echten Orangen – ein Nektar für Leib und Seele!
Wir tranken mindestens zwei Liter pro Tag, und am Ende der Woche musste Onkel Leo für Nachschub sorgen.
Wir tranken so viel Orangensaft, dass unsere Lippen und Zungen von der Säure wund wurden! Doch das hielt uns nicht auf. Denn wir wussten: Die Sommertage bei Tante Dora in Deutschland sind gezählt – und mit ihnen vergehen Schokolade, Arabella Kiesbauer und der beste Orangensaft, den es je gab.