Stark, stolz, selbstbewusst

wochenblatt.pl 6 godzin temu
Zdjęcie: Die Oppelner Vizemarschallin Zuzanna Donath-Kasiura spricht im Interview über Geschlechtergleichgewicht, Identitätssuche und Zukunftsperspektiven. Foto: Tomasz Chabior


Wochenblatt-Interview mit Zuzanna Donath-Kasiura

Seit 2021 ist Zuzanna Donath-Kasiura Vizemarschallin der Woiwodschaft Oppeln und darüber hinaus seit vielen Jahren mit der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien verbunden. Mit Anna Durecka spricht sie über die Notwendigkeit des Geschlechtergleichgewichts im öffentlichen Leben, über die Herausforderungen, vor denen die Frauen der deutschen Minderheit stehen, sowie über ihren eigenen Weg zur Akzeptanz und Pflege einer vielschichtigen Identität – deutsch, polnisch und schlesisch.

Ist es schwierig, Politikerin zu sein und dazu noch als eine Frau aus der deutschen Minderheit?

Für mich ist das eine ganz natürliche Situation, denn ich gehörte immer schon zur deutschen Minderheit und arbeite seit Langem in einem männlich dominierten Umfeld. Natürlich bedeutet das nicht, dass es nicht auch mit gewissen Herausforderungen verbunden ist.

Ich nehme an, ein Teil davon betrifft die Zusammenarbeit mit Männern.

Nun ja, ich denke, vor allem muss man Männern in der Politik beibringen, dass Frauen dort nicht nur deshalb gebraucht werden, weil man Quoten erfüllen muss oder weil es Vorgaben der EU oder gesellschaftliche Erwartungen gibt. Sondern weil wir dadurch die Welt, in der wir leben, einfacher und besser gestalten können. Diese unterschiedliche Sensibilität von Frauen und Männern ist eine Tatsache. Ich halte sie gerade in der Politik für besonders wichtig, weil wir dort bestimmte Maßnahmen planen und die Welt in gewisser Weise für alle anderen gestalten – und das tun wir eben etwas anders.

„Ich wünsche mir, dass jedes Mitglied der deutschen Minderheit bewusst und mit Stolz sagen kann: Ja, ich gehöre zur deutschen Minderheit, das ist Teil meiner Identität.

Wenn unter denjenigen, die Einfluss darauf haben, wie diese Welt aussehen wird, sowohl Frauen als auch Männer sind, dann wird sie für beide Geschlechter gut sein, für Menschen mit unterschiedlicher Sensibilität und unterschiedlichen Sichtweisen. Wenn wir diesen Bereich nur Männern überlassen, werden viele Bedürfnisse nicht berücksichtigt – nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil ihnen schlicht das Bewusstsein dafür fehlt, was Frauen brauchen.

Deshalb bin ich eine große Befürworterin – vielleicht nicht eines idealen Gleichgewichts, denn das ist unmöglich –, aber einer wirklichen Präsenz des weiblichen und männlichen Elements in allen Lebensbereichen.

Wie sieht das in unserer Region aus?

Ich finde, es verändert sich eindeutig zum Besseren. Besonders in ländlichen Gebieten ist das sehr sichtbar. Frauen, die vor 30 Jahren noch vor allem eine dienende Funktion hatten, die sich verpflichtet fühlten, alles zu organisieren, aber nicht zu entscheiden, haben heute das Steuer selbst in die Hand genommen. Sie sind Dorfvorsteherinnen, leiten NGOs, sie machen ihre Arbeit hervorragend – und man sieht, wie sich unsere Dörfer und lokalen Gemeinschaften dadurch positiv entwickeln. Denn es geht nicht nur um Räume, sondern um die Menschen, die sie gestalten. Die Dorfgemeinschaften sind wirklich ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man zusammenwachsen und sich gegenseitig helfen kann.

Je höher man in die Politik kommt, desto weniger Frauen gibt es. Liegt das daran, dass große Politik mit weniger Handlungsmöglichkeiten verbunden ist? Und Frauen schätzen eher konkrete Ergebnisse hier und jetzt?

Ich denke, einerseits liegt es daran, dass Frauen oft nicht als gleichwertige Partnerinnen behandelt werden. Andererseits liegt das Problem bei den Frauen selbst. In den meisten Partnerschaften und Familien tragen sie die ganze Organisation des Familienlebens. Dazu kommen gesellschaftliche Funktionen und der Beruf. Viele Frauen wollen nicht alles nur für einen einzigen Lebensbereich opfern.

In einem eher konservativen Umfeld wie der deutschen Minderheit ist das wohl noch ausgeprägter?

Ja. Für unsere Frauen ist es noch schwieriger, sich aus Familie und Haushalt zu lösen. Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Sie stoßen nicht immer auf das Verständnis ihrer Partner. Ich habe einen wunderbaren Mann, der mich in allem unterstützt, aber ich kenne auch andere Situationen. Tolle Frauen, die, bevor sie sich etwa für den Gemeinderat zur Wahl stellen, sagen: „Okay, ich muss meinen Mann fragen.“ Nicht: mit meinem Mann sprechen, sondern: ich muss ihn fragen. Das heißt, es fehlt an Partnerschaft. Denn wenn ich jemanden um Erlaubnis bitte, bin ich abhängig.

Die Oppelner Vizemarschallin Zuzanna Donath-Kasiura spricht im Interview über Geschlechtergleichgewicht, Identitätssuche und Zukunftsperspektiven.
Foto: Tomasz Chabior

Denken Sie also, die Frauen der Minderheit sind zu wenig emanzipiert?

Das ist eine sehr starke These. Ich würde lieber sagen: Die Frauen in der Minderheit könnten mehr an sich selbst glauben. Wir sind stark, klug, unsere Stimme hat Gewicht. Aber man kann niemanden zu bestimmten Schritten zwingen. Das muss aus uns selbst kommen – die Überzeugung, dass unser Handeln nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere gut ist.

Ist das eine Frage der Generation? Sie haben eine erwachsene Tochter. Setzt sie ihre eigenen Bedürfnisse stärker in den Vordergrund?

Natürlich. Aber es hängt von uns ab, wie wir unsere Kinder erziehen, wie wir mit unseren Töchtern sprechen. Niemand wird uns diese Arbeit abnehmen.

Und wie sollten wir mit ihnen sprechen?

Partnerschaftlich. Zuhören, reden, manchmal auch einsehen, dass nicht wir, sondern sie recht haben. Das ist nicht einfach. Aber wenn sich etwas ändern soll, müssen wir auch selbst etwas dazulernen. Ich sehe, wie ich mich verändert habe, wie mein Mann sich verändert hat, wie wir uns gemeinsam entwickelt haben.

Also sollte Partnerschaft nicht nur Frauen und Männer betreffen, sondern auch die Generationen?

Ja, unbedingt. Ich glaube, sehr viel hängt von uns selbst ab.

Was wünschen Sie sich als Mitglied der deutschen Minderheit für die Zukunft der Minderheit?

Vor allem brauchen wir Selbstbewusstsein. Ich wünsche mir, dass jedes Mitglied der deutschen Minderheit bewusst und mit Stolz sagen kann: „Ja, ich gehöre zur deutschen Minderheit, das ist Teil meiner Identität.“

Denken Sie, das können wir noch nicht?

Ich denke, viele Menschen schämen sich noch. Für mich ist die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit ein wichtiger Teil meiner Identität, aber ich betone auch immer, dass die polnische Kultur, das Schlesische und all die Veränderungen um mich herum ebenso dazugehören.

Also ist Identität für Sie nichts Festes, sondern etwas, das sich entwickelt?

Ja. Identität bedeutet Bewusstsein darüber, wer ich bin. Und wer ich bin, hängt stark von meinen Erfahrungen, meinem Wissen, aber auch von meinen Beziehungen ab.

Die Oppelner Vizemarschallin Zuzanna Donath-Kasiura spricht im Interview über Geschlechtergleichgewicht, Identitätssuche und Zukunftsperspektiven.
Foto: Tomasz Chabior

Wie hat sich das bei Ihnen entwickelt? Sie sind in Oberglogau geboren und aufgewachsen.

Ich bin in Oberglogau geboren, die ersten sieben Jahre meines Lebens habe ich in Kandrzin verbracht.

Auf Polnisch, Deutsch, Schlesisch?

Auf Polnisch. Meine Eltern haben mit meinem Bruder versucht, Deutsch zu sprechen, aber mit mir haben sie sich nicht getraut. Also wuchs ich in einer polnischsprachigen Welt auf, bekam aber gleichzeitig vermittelt: Du bist keine Polin.

War das schwer für Sie?

Natürlich. Wie sollte ich verstehen, dass meine Babcia keine ist, sondern eine Oma? Oder dass ich in der Schule lernte: „Kto ty jesteś? Polak mały“, und zu Hause hörte: „Du bist überhaupt keine Polin“. Das war schwierig, zumal mir das niemand erklärt hat. Es war einfach ein Fakt.

Und Sie mussten das akzeptieren.

Ja, ich musste es akzeptieren, ohne Diskussion, denn Kinder hatten damals eben kein Mitspracherecht. Das war schwer. Ein Teil der Familie sprach Schlesisch, ich verstand es passiv, aber sprach es nicht.

Wie sind Sie zu Ihrer „deutschen Seite“ gereift?

Mit den politischen Veränderungen – da war ich 19 Jahre alt. Ich begann zu hinterfragen, warum niemand vorher mit mir Deutsch gesprochen hatte. Ich wusste inzwischen, dass es nicht erlaubt war. Als die Gesellschaft der deutschen Minderheit gegründet wurde, habe ich keinen Moment gezögert, beizutreten. Mit dem Deutschlernen habe ich während des Studiums begonnen.

Wo sehen Sie Ihre Zukunft – hier oder woanders?

Ich denke, genau hier kann ich sehr viel Gutes tun – für die Menschen, die in unserer Region leben, für die Region selbst. Ich kann auch Einfluss auf das Leben der Minderheit nehmen, wenn auch anders als früher, als ich SKGD-Sekretär war. Aber der Einfluss auf konkrete Aktivitäten ist groß.

Und was wir alle hier brauchen, ist mehr gegenseitiges Verständnis. Daran fehlt es immer noch. Wir sind zwar eine offene Gesellschaft, aber oft mangelt es uns an Sensibilität und an tieferem Verständnis dessen, was geschehen ist, um besser zusammenleben zu können.

Die Nachkriegsgeschichte ist nicht aufgearbeitet – sie steckt noch in uns, in der Mehrheitsgesellschaft, in den Menschen, die sich als Schlesier fühlen, und in denen, die aus anderen Teilen Polens zu uns gekommen sind.

Ist das Ihr wichtigstes Ziel – Verständnis aufzubauen? Manche wollen etwas ganz Konkretes schaffen, zum Beispiel ein Gebäude errichten.

Ich denke, die wichtigste Investition ist die Investition in den Menschen. Wir können viele Gebäude bauen, aber wenn wir keine Menschen haben, die sich verstehen und zusammenarbeiten wollen, bringt uns das nichts.

Was müssen wir also tun, damit unsere Gesellschaft in der Region den richtigen Weg einschlägt?

Uns selbst verstehen und akzeptieren und mit Respekt und Offenheit auf andere zugehen. Als Minderheit müssen wir unsere Komplexe ablegen. Wir sind nicht nur vollwertige Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und unserer Region, sondern vor allem wertvolle Menschen. Jeder kann eine andere Meinung haben. Wichtig ist, dass wir an einem Tisch sitzen, reden und in den wichtigsten Fragen zusammenarbeiten können. Gegenseitiger Respekt – nur so viel und doch so wenig.

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