Mit Anita Pendziałek, Tänzerin der Tanzgruppe „Raciborzanie,” sprach Andrea Polanski über ihre Leidenschaft für traditionelle oberschlesische Tänze und Trachten, die Bedeutung der schlesischen Identität in ihrem Leben und die Herausforderungen, die mit dem Erhalt der regionalen Folklore verbunden sind.
War Tanz schon immer eine große Leidenschaft von Dir und wie bist Du auf die traditionellen oberschlesischen Tänze gekommen? Was hat Dich da speziell hingezogen?
Musik war schon immer meine Leidenschaft. Tanzen, singen und Klavierspielen wollte ich schon als kleines Mädchen, aber auf dem Land, wo ich auf einem kleinen Bauernhof groß geworden bin, war es mir nicht gegeben. Ich liebe das Landleben, aber vor rund dreißig Jahren war hier etwas anderes wichtiger, als ein Kind in die Stadt zum Tanzunterricht oder zur Musikschule zu fahren. Mit Tanzunterricht habe ich also erst dann begonnen, als ich es mir leisten konnte, also, als ich angefangen habe zu arbeiten. Zuerst hatten kubanische und kolumbische Tänze mein Herz erobert, aber sie mussten dann auch etwas Platz für den Volkstanz machen. Volkstanz hat für mich nicht nur mit künstlerischem Ausdruck und Musik zu tun. Volkskultur ist Wahrhaftigkeit. Sie ist einem bestimmten Gebiet zugeordnet, zeugt von seiner Ethnizität, trägt Elemente der Geschichte und des hiesigen Lebens… Das ist eben das Spezielle für mich.
Was bedeutet es für Dich persönlich, Schlesierin zu sein und welche Rolle spielt diese Identität in Deinem Leben?
Es fiel mir schon immer schwer, die Identitätsfrage zu beantworten. Einerseits, weil mich oft jemand fragt, wie ich meine deutsche oder schlesische Identität entdeckt oder aufgebaut habe. In meiner Familie und in meinem Elternhaus wurden das Schlesier- und das Deutschsein einfach gelebt.
Bei der Folklore geht es nicht nur um Lieder, Tänze und Trachten. Folklore, das ist auch die Einstellung zum Land, zur Welt und zur Natur.
Und so ist es bis heute. Deutsche und Schlesierin zu sein ist für mich etwas Natürliches, ein Teil von mir und von meinem Leben, keine Rolle oder Entdeckung.
Ihr tanzt in den schlesischen Trachten, die ja sehr spezifisch sind. Wie beschafft Ihr Euch Eure Trachten? Macht Ihr sie selbst oder gibt es andere Wege, an diese zu kommen?
Unsere Tanzgruppe „Raciborzanie” wird vom Verein des Ratiborer Landes „Źródło“ geleitet. Wir alle, die der Gruppe zugehören, sind seine zahlenden Mitglieder. Die Gruppe finanziert sich also selbst, auch, indem sie nach Zuwendungen sucht. So ist es auch mit den Trachten. Wir haben einzelne originale Trachten oder Elemente von ihnen. Ansonsten wird alles nach Mustern für uns genäht. Manche Elemente werden sogar von Hand vorbereitet.
Es gibt ja verschiedene Gruppen, die sich mit oberschlesischem Tanz beschäftigen. Wie unterscheidet sich Eure Gruppe von „Zespół Śląsk“, der ja international sehr bekannt ist und oft für Oberschlesien steht?
Wie schon gesagt, sind wir ein Verein, der sich selbst um sich sorgt. Außerdem sind wir im Vergleich zu solchen Gruppen, wie „Zespół Śląsk“, weder professionelle Musiker, Tänzer oder Sänger, noch verdienen wir damit Geld. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass unsere Kunst keine Qualität hat. Unsere Tanzgruppe ist Mitglied des Internationalen Rates für die Organisation von Folklorefestivals und Volkskunst CIOFF, welcher offizieller Partner der UNESCO ist. Somit besteht sie Prüfungen und wird vom CIOFF zertifiziert. Die Gruppe besteht einfach nicht aus Profi- und Berufskünstlern, sondern aus wundervollen Menschen, die eine Leidenschaft für Tanz und Folklore haben, die ihre Zeit und einen Teil ihres Lebens der Pflege der Volkskultur widmen.
Wie vereinst Du Deine Faszination für Schlesien mit dem deutschen Teil Deiner Identität? Gibt es da besondere Herausforderungen oder interessante Aspekte?
Wie ich schon gesagt habe, diese Verbindung ist für mich natürlich. Und so sollte auch die Verbindung dieser zwei Gruppen aussehen, weil beide doch auf dem gleichen Gebiet beheimatet sind. Allgemein interessant finde ich aber die Vielfalt der Identitäten. Hier gibt es Menschen, die sich als Deutsche, Oberschlesier, deutsche Schlesier, Schlesier, polnische Schlesier, Polen, wie auch immer öfter Europäer, Weltbürger oder noch jemand anderes bekennen.
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Wir sollten es aber eben als etwas Natürliches betrachten, weil das doch eine Widerspiegelung der Geschichte dieses Gebietes, wo wir alle – wie schon gesagt – beheimatet sind, ist. Doch alleine die erwähnten Gruppen haben damit ein Problem. Meiner Meinung nach kann dies auf ein Gefühl der Ungerechtigkeit und des Mangels an Akzeptanz und Respekt zurückzuführen sein, das – meines Erachtens – in jeder dieser Gruppen in unserer Region zu finden ist. Solange das nicht jeder, der hier lebt, begreift und überwindet, wird sich die Narration und somit auch das Bild nicht ändern.
Bei Projekten der deutschen Minderheit sieht man oft bayerische Trachten. Siehst Du dieses Phänomen kritisch oder gibt es Deiner Meinung nach Gründe, warum das so ist? Würdest Du Dich über eine größere Präsenz oberschlesischer Treffen bei Projekten der Minderheit freuen?
Ich würde mich generell freuen, wenn die Themen der Projekte der deutschen Minderheit einen Bezug zur Kultur ihrer Region – in unserem Fall Oberschlesiens – hätten. Bayerische Trachten sind natürlich in Ordnung, wenn wir bei Projekten über Bayern oder über die Kultur Deutschlands sprechen, oder wenn wir zu einem Oktoberfest fahren. Sie sind aber kein Element der oberschlesischen Kultur. Kulturgruppen der deutschen Minderheit, wie z. B. Chöre, tragen oberschlesische Trachten, doch alleine die Mitglieder tatsächlich eher bayerische. Ich glaube, dass das daran liegt, dass die bayerischen einfach attraktiver sind und sich schöner präsentieren. Aber unsere Omas und Uromas trugen doch keine Dirndl…
Was wünschst Du Dir für die Zukunft für die oberschlesische Folklore?
Ich wünsche der oberschlesischen Folklore, also der Volkskultur in ihrem breitesten Sinne, dass sie beachtet und immer gepflegt wird. Denn bei der Folklore geht es nicht nur um Lieder, Tänze und Trachten. Folklore, das ist auch die Einstellung zum Land, zur Welt und zur Natur; das ist auch Tradition und Küche; auch Sprache, Legenden und Geschichten… Folklore ist sowohl eine Schönheit des Lebens als auch ein Wert. Ich wünsche ihr, dass genau das respektiert und geschätzt wird.