Vor 65 Jahren starb der Oberschlesier Manfred Smolka

wochenblatt.pl 2 godzin temu
Zdjęcie: Eingang zur zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig, Arndtstraße 48. Foto: Manfred Geisler, Wikipedia


Mord in staatlichem Auftrag

Der aus Oberschlesien stammende DDR-Grenzoffizier Manfred Smolka wurde 1960 in Leipzig auf Befehl der Staatssicherheit hingerichtet. Sein Versuch, seine Familie in den Westen zu holen, endete mit einem inszenierten Prozess und dem Fallbeil. Sein Schicksal steht exemplarisch für die brutale Logik der Diktatur – und für das späte Ringen um Gerechtigkeit.

Als der 1930 in Ratibor Oberschlesien geborene Manfred Smolka, Oberleutnant der DDR-Grenzpolizei, am 12. Juli 1960 in Leipzig unter dem Fallbeil starb, war ich 23 Jahre alt und studierte im fünften Semester Literaturwissenschaft an der Freien Universität in Berlin-Dahlem. Ob ich damals diesen von Erich Mielke (1907-2000), dem seit 1957 amtierenden Minister für Staatssicherheit, angeordneten Gewaltakt zur Auslöschung eines Menschenlebens registrierte und politisch einzuordnen wusste, weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber noch, dass ich zwei Jahre später, als ich in der DDR wegen „staatsgefährdender Hetze“ zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt war, in Waldheim einen Häftling traf, der Manfred Smolka gekannt und die letzten Tage vor der Exekution mit ihm verbracht hatte. Ein Jahr später wurde die Mauer in Berlin gebaut! Während meiner drei Gefängnisjahre hatte ich gelernt, dass Kommunisten in ihren gnadenlosen Machtausübung (sie nannten das „Klassenkampf“) zu jedem Verbrechen fähig waren, auch zu Mord.

Erst Flucht aus Oberschlesien und dann aus Thüringen

Manfred Smolka, dessen Vater 1943 gefallen war, flüchtete 1945 mit Mutter und Geschwistern vor der anrückenden „Roten Armee“ von Oberschlesien nach Hohenleuben im Landkreis Greiz/Thüringen, wo er bis 1947 als Landarbeiter tätig war. Er wurde 1948 SED-Mitglied, machte eine Grundausbildung bei der „Volkspolizei“ und wurde Grenzpolizist. Nach dem Besuch der Offiziersschule wurde er Oberleutnant der Grenztruppen und wohnte mit Frau und Tochter in Titschendorf im Saale-Orla-Kreis. In diesem Ort wurde am 11. Mai 2017 ein Gedenkstein für Manfred Smolka eingeweiht.

Am 17. Juni 1958, dem fünften Jahrestag des Arbeiteraufstands von1953, widersetzte sich Manfred Smolka einem Befehl zur „verschärften Grenzsicherung“. Er wurde zum Feldwebel degradiert und von den Grenztruppen entlassen, wegen „parteischädigenden Verhaltens“ wurde er dann auch aus der SED ausgeschlossen. In der Nacht zum 15. November 1958 flüchtete er über die innerdeutsche Grenze nach Bayern und fand eine Arbeit als Kraftfahrer in Peisel bei Gummersbach/Nordrhein-Westfalen. Angeschossen und auf DDR-Gebiet geschleppt Am 22. August 1959 wollte er seine Frau und die Tochter über die innerdeutsche Grenze nach Bayern holen. Seine Pläne waren aber verraten worden. Er geriet an der Grenze in einen Hinterhalt und wurde, noch auf westdeutschem Gebiet, von einem im Gebüsch versteckten Mordkommando der „Staatssicherheit“ angeschossen und mit durchschossenem Oberschenkel auf DDR-Gebiet verschleppt. Es ging ihm ähnlich wie dem ehemaligen Häftling Michael Gartenschläger (1944-1976), der nach zehn Jahren Zuchthaus in Brandenburg von der Bundesregierung freigekauft wurde. Er wurde am 30.April 1976 von einem Spezialkommando der „Staatssicherheit“ an der innerdeutschen Grenze bei Lübeck erschossen, als er vom Grenzzaun eine Splittermine abmontieren wollte, und als „unbekannte Wasserleiche“ auf dem Schweriner Waldfriedhof verbrannt.

Todesstrafe „aus erzieherischen Gründen“

Manfred Smolkas Schicksal, die Todesstrafe „aus erzieherischen Gründen“ zu verhängen, war schon besiegelt, ehe der Prozess überhaupt begonnen hatte. Gleich zu Beginn des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Erfurt widerrief Manfred Smolka sein erzwungenes Geständnis, für westdeutsche Geheimdienste gearbeitet zu haben. Der Mutter des Angeklagten war der Zutritt zum Gerichtssaal verweigert worden, stattdessen saßen dort 65 Politoffiziere der „Nationalen Volksarmee“ und der „Volkspolizei“ und 17 Offiziere des „Ministeriums für Staatssicherheit“, sein Pflichtverteidiger vor Gericht war „inoffizieller Mitarbeiter“ der „Staatssicherheit“. Manfred Smolkas Frau wurde später vor demselben Bezirksgericht wegen „Republikflucht“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie im Frauengefängnis Hoheneck/Erzgebirge verbrachte. Die noch minderjährige Tochter wuchs bei den Großeltern auf. Das Berufungsverfahren scheiterte am 6. Mai 1960, weil Staatspräsident Wilhelm Pieck (1876-1960) das von der Mutter eingereichte Berufungsbegehren abgelehnt hatte.

Abschiedsbrief erreichte Ehefrau erst nach Fall der Mauer

Am 12. Juli 1960 wurde Manfred Smolka in Leipzig-Meusdorf mit der Fallschwertmaschine exekutiert. Vorher hatte er noch an seine Angehörigen einen Brief schreiben dürfen, der aber nie zugestellt wurde: „Meine liebe, gute Muttel, liebe Geschwister, liebe Frau und mein liebes Kind! Soeben habe ich erfahren, dass mein Todesurteil vollstreckt wird, ich habe nur noch wenige Minuten zu leben“. Dieser Abschiedsbrief, worin er auch um eine Erdbestattung gebeten hatte, wurde unterschlagen und der Witwe, auch nicht nach der Entlassung aus dem Zuchthaus Hoheneck, nie zugestellt. Seine Leiche wurde verbrannt, auf dem Totenschein wurde als Todesursache „Herzinfarkt“ angegeben. Der Abschiedsbrief und die Prozessakten erreichten Waltraud Smolka erst nach der Grenzöffnung am 9. November 1989.

Am 18. Juli 1960, sechs Tage nach der Vollstreckung des Urteils verschickte Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, ein Rundschreiben an alle MfS-Diensteinheiten, „um alle Mitarbeiter des Ministeriums so zu erziehen, dass sie den Verrat hassen und als Tschekisten an der Überwindung politisch-moralischer Mängel und Schwächen ernsthaft arbeiten.“

Wegen „Republikflucht“ verurteilte Ehefrau nicht informiert

Im Dezember 1964 wandte sich Waltraud Smolka, die inzwischen aus der Strafhaft entlassen war, an die Staatsanwaltschaft im Bezirk Gera und bat um Auskunft über den Verbleib ihres Ehemanns, da sie nie eine Bestätigung, dass das Todesurteil vollstreckt worden sei, erhalten hatte. Man hätte ihr während des Strafvollzugs lediglich Ehering, Uhr und Wäsche zugeschickt. Der Brief wurde von Gera an die Staatsanwaltschaft Erfurt weitergeleitet, die sich am 29. Dezember 1964 an die Generalstaatsanwaltschaft in Ostberlin wandte. Auch von dort erhielt Waltraud Smolka acht Monate keine Antwort, sodass sie sich am 26. August 1964 direkt an den Generalstaatsanwalt Josef Streit (1911-1987), der 1962 in dieses Amt berufen worden war. In ihrem Brief schrieb sie, es wäre ihr immer noch unverständlich, dass „dieses Urteil ausgeführt wurde. Sollte es doch zutreffen, dann fordere ich sofort eine amtliche Todesurkunde.“ Am 27. September wurde die Sterbeurkunde schließlich von Ostberlin nach Gera geschickt und am 15. Oktober 1965, mehr als fünf Jahre nach Manfred Smolkas Tod, seiner Witwe übergeben. Im Begleitschreiben aus Ostberlin stand zu lesen: „…wobei Einzelheiten des Verbrechens in der Aussprache nicht darzulegen sind.“ Nach der Übergabe der Urkunden wurde nach Ostberlin mitgeteilt: „Frau Smolka vertrat den Standpunkt, dass die Verurteilung ihres Mannes zum Tode ein Racheakt sei und ein abschreckendes Beispiel sein sollte.“

Fast 30 Jahre später, am 29. Januar 1990, traten Waltraud Smolka und ihre Tochter Ursula Franz an die Öffentlichkeit und stellten Strafanzeige gegen Erich Honecker (1912-1994) wegen Totschlag und Rechtsbeugung. Bis zur Ausreise des SED-Politikers nach Chile am 14. Januar 1993, also drei Jahre lang, wurde diese Strafsache von der bundesdeutschen Justiz verschleppt, bis der Täter nicht mehr greifbar war. Der einstige DDR-Häftling Klaus Schmude veröffentlichte 1992 das Buch „Fallbeil Erziehung“. Waltraud Smolka verklagte 1998 die SED-Nachfolgepartei PDS auf Schadenersatz, ohne Erfolg.

Jörg Bernhard Bilke

Schlesien Heute

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Eingang zur zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig, Arndtstraße 48.

Gedenkstein für Manfred Smolka in der Nähe des Ortes der Verhaftung bei Titschendorf.

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