Sie halten die aktuelle und zugleich letzte Ausgabe des „Wochenblatt.pl“ in seiner alten Form in den Händen. Eine Wochenzeitschrift, die sich nun in eine Monatszeitschrift umwandelt und sich dabei online weiterentwickeln wird. Dies hat uns dazu veranlasst, an die Chefredakteure unserer Zeitung zu erinnern, deren Arbeit, Engagement und Wissen im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten den größten Einfluss auf die Entwicklung der Zeitung hatte, die früher unter anderem „Schlesisches Wochenblatt“ hieß.
Zur Erinnerung: Am 20. April 1990 erschien die Ausgabe Null, gefolgt von den Null-Ausgaben 01, 02, 03, 04, die zweiwöchentlich erschienen, während die Ausgabe 05 vom 15. Juli 1990 und die Ausgabe 06 vom 18. August 1990 bereits monatlich erschienen. Noch im selben Monat wurde unsere Zeitung beim Woiwodschaftsgericht in Oppeln registriert und einen Monat später erschien die erste Ausgabe, in der Engelbert Miś sein Debüt als Chefredakteur gab: „Die Begeisterung war damals groß und die Auflage mit rund 42.000 Exemplaren beeindruckend“, erinnert sich Engelbert Miś und fügt hinzu: „Nachdem sich die anfängliche Aufregung gelegt hatte, begann ich, die Zeitung nach meinen Vorstellungen zu gestalten, wobei ich die Bedürfnisse der Deutschen in Polen und die politische Situation im Lande berücksichtigte. Meine erste Zeit als Chefredakteur war jedoch schwierig. Es gab Probleme mit dem Standort, der Ausrüstung und dem Mangel an geeigneten Journalisten.“

Foto: Archiv
Anerkennung und Bewunderung
Auf der anderen Seite aber wurde die Kreativität im Kopf des ersten Leiters der Zeitung der Deutschen in Polen aktiviert – die Ideen mehrten sich, der Hunger zu schreiben, unsere Gemeinschaft zu informieren, und der Wunsch zu handeln: „Ich erinnere mich, dass ich meine Ideen in einem speziellen Notizbuch niederschrieb und sie dann in unsere Zeitschrift einbrachte. So konnte ich beispielsweise die Kolumne ,Unsere Geschichte’ mit etwa 80 Episoden oder die Kolumne über unsere Nobelpreisträger einführen. Gleichzeitig habe ich mich auf die Suche nach Leuten gemacht, die sehr gut Deutsch sprachen, um das Niveau und die Qualität der Texte in dieser Sprache zu verbessern.
R. Urban: „Die Zeit vergeht unerbittlich, die Welt verändert sich, also müssen sich auch die Medien verändern”.
So konnte ich unter anderem Waldemar Lichy, einen hervorragenden Kenner der deutschen Sprache, für die Mitarbeit gewinnen. Er überprüfte alle Texte und nahm zahlreiche Korrekturen vor, was viel Arbeit bedeutete, aber es hat sich gelohnt und musste getan werden, denn dank ihm wurde nicht mehr über das Niveau der in unserer Zeitung auf Deutsch verfassten Texte gelacht. Letztendlich hat mir die Mühe, die ich in die regelmäßige Herausgabe der Zeitung gesteckt habe, Kraft gegeben und mich motiviert, noch härter zu arbeiten! Erfreulich war auch, dass viele Menschen mir gerührt dafür dankten, dass es nun endlich eine zweisprachige Zeitung für Deutsche in Polen gab“, erinnert sich Engelbert Miś.

Quelle: Archiv, zusammengestellt von Mateus Joschko
Das war es wert
Er erhielt auch Glückwünsche und lobende Worte dafür, dass er es damals wagte, eine Zeitung zu betreiben, die über Fragen der Deutschen in Polen berichtete. Das war erbaulich und brachte Wind in die Segel, aber es war auch sehr riskant: „Damals häuften sich tatsächlich unangenehme Vorfälle mir gegenüber“, sagt Engelbert Miś. „Diese Vorfälle wirkten sich auch zerstörerisch auf mein Privatleben aus. Das ging so weit, dass meine Frau mir irgendwann mitteilte, dass sie sich von mir trennen müsse, weil sie Angst habe.“ Trotz dieser Vorfälle und zahlreicher Probleme nahm die Popularität der Zeitung in jener Zeit zu. Infolgedessen erklärten sich bekannte Persönlichkeiten bereit, für sie zu schreiben. Unter anderem auch Janusz Reiter, der ehemalige polnische Botschafter in Berlin: „Ich hatte viele Bekannte dieser Klasse. Die meisten von ihnen wollten mit mir zusammenarbeiten, nachdem sie die Zeitung kennengelernt hatten. Deshalb habe ich mit der Zeit geeignete Korrespondenten in der Woiwodschaft Schlesien, im Norden Polens oder auch in Lodz, wo es auch eine starke deutsche Minderheit gab, gewonnen. Sie alle wussten zu schätzten, wie ich mich um die Zeitung, ihre Qualität und Unabhängigkeit kümmerte – und das war in all den Jahren so, in denen ich sie leitete, also bis 2010, als ich in den Ruhestand ging. Mein Fazit: Die Geburt einer deutschen Zeitung in Polen war schwierig, manchmal kompliziert, manchmal schmerzhaft und gefährlich, aber das Ergebnis war fruchtbar. Das war es wert!“

Foto: Klaudia Kandzia
Gründung des Wocchenblatt.pl
Nach Engelbert Miś wurde Till Scholtz-Knobloch Chefredakteur der Zeitung der Deutschen in Polen. Er übernahm diese Funktion am 23. April 2010 und hatte sie bis zum 31. Juli 2015 inne. Ihm ist es zu verdanken, dass der Name der Zeitung von „Schlesisches Wochenblatt“ in „Wochenblatt.pl“ geändert wurde. Weshalb? „Es war mir wichtig, die Botschaft zu vermitteln, dass die Wochenzeitung der deutschen Minderheit in Polen sich an Deutsche in ganz Polen richtet – auch z. B. in Masuren, in Lodz und in Pommern. Wie kann man sich mit etwas identifizieren, wenn der Name auf eine Region beschränkt ist? Der Zusatz ,.pl’ war einfach eine Möglichkeit, dies mit einem kurzen Namen auszudrücken“, sagt der ehemalige Chefredakteur und fügt hinzu: „Mit den von mir vorgenommenen Änderungen wollte ich aus dem Oppelner Garten herauskommen und in breiteren regionalen Zusammenhängen denken. Als Historiker und Politikwissenschaftler war es mein Markenzeichen, die Identität durch die Geschichte zu stärken. Ich betrachte mich als Schlesier. Meine Familie stammt aus Schlesien, hauptsächlich aus den Kreisen Strehlen und Trebnitz. In der Region Oppeln wird das Konzept des Schlesierseins jedoch sehr lokal verstanden. Ich habe in Klodnitz in der Nähe von Cosel gelebt und mich in diese Umgebung verliebt, aber ich wollte auch unbedingt nach Kattowitz und Breslau reisen. Masuren oder Stettin blieben aufgrund der Entfernung und redaktioneller Verpflichtungen leider die Ausnahme.“

Foto: Lucas Netter
Die Zeitung im Zeitalter der PiS
Im Jahr 2015 kam Dr. Rudolf Urban an die Spitze des Wochenblatt.pl. Wie er bei seinem Amtsantritt als Chefredakteur feststellte, sei die Zeitung in guter Verfassung, aber…: „Ich habe damals auch beschlossen, dass wir noch mehr über Politik schreiben sollten. Zunächst dachte ich an die Politik in Europa gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten, um die Situation der deutschen Minderheit in Polen vor diesem Hintergrund zu beleuchten. Die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Polen haben diesen Plan jedoch völlig verändert. Seit Ende 2015 hatten wir eine neue PiS-Regierung und die Politik gegenüber Minderheiten, Deutschland und den Deutschen veränderte sich dramatisch. Von da an, fast bis zum Ende meiner Zeit als Chefredakteur, war eines der Hauptthemen der Umgang der PiS-Regierung mit den Deutschen in Polen“. Und er fügt hinzu: „In dieser Zeit gab es auch andere Herausforderungen. Dazu gehörten Veränderungen auf dem Zeitungsmarkt, die auch an unserer Zeitung nicht vorbeigegangen sind. Die Zahl der verkauften Exemplare ging zurück und viele unserer Leser waren ins Internet ,abgewandert’. Vor diesem Hintergrund bestand unsere Aufgabe darin, unsere Aktivitäten gerade in der virtuellen Welt zu verstärken. Es wurden kürzere und längere Videointerviews erstellt, wir waren intensiv auf Facebook und Twitter (jetzt X) aktiv und bereiteten uns auf das Unvermeidliche vor – das Ende der Veröffentlichung der Zeitung in Papierform. Letztlich endete meine Arbeit in Vorbereitung auf diesen Schritt im Jahr 2024, und heute halten die Leser von „Wochenblatt.de“ die letzte Ausgabe in der alten Form in den Händen. Die Zeit vergeht unerbittlich, die Welt verändert sich, also müssen sich auch die Medien verändern.“
Und so ist es: Wir haben uns von unseren Anfängen bis heute weiterentwickelt – für Sie, die deutsche Minderheit in Polen.
Krzysztof Świerc/Manuela Leibig