Zwischen den Ufern

wochenblatt.pl 7 godzin temu
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Oliwia Drozdowicz und ihre Faszination für Brücken

Oliwia Drozdowicz faszinieren Brücken – nicht jene, die Flussufer verbinden, sondern vor allem die symbolischen, die zwei Welten, zwei Kulturen und zwei Nationen miteinander verbinden. In ihrer Forschung werden Brücken nicht nur als architektonische Objekte betrachtet, sondern als Metaphern für Dialog und Verständigung zwischen Polen und Deutschland. Oliwia selbst ist wie eine lebendige Brücke – sie verbindet zwei Länder, zwei Identitäten und zwei Sprachen und baut so Brücken des Miteinanders und der Zusammenarbeit an einer Grenze, die für sie nicht trennt, sondern eint.

Familiengeschichte und Identität zwischen Polen und Deutschland

1936 wird in Schweidnitz in Niederschlesien die Großmutter von Oliwia, Dorothea, in eine deutsche Familie hineingeboren. Nach 1945 blieb ihr Urgroßvater in der Region, in der Hoffnung, dass sich die Situation ändert und das Gebiet, wo sich sein Haus und seine Gärtnerei befanden, nicht dauerhaft zu Polen gehören wird. Seine gesamte Familie flüchtete nach Bayern, 1948 kam nur seine Frau mit den Töchtern zurück. Jahre später wurde die Grenze an Oder und Neiße festgelegt. Die Großmutter heiratete einen Polen, daher trägt Oliwia einen polnischen Nachnamen. Deutsch blieb jedoch die Sprache, in der sie mit ihrem Vater und Bruder spricht und mit ihrer Großmutter bis zu ihrem Tod im Jahr 2023 sprach.

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„Meine Mutter arbeitet in der St.-Hedwig-Stiftung in Morawa (früher Muhrau), die unter anderem deutsch-polnische Projekte durchführt. Dort haben sich auch meine Eltern kennengelernt, also kann man sagen, dass die deutsch-polnische Identität mich seit meiner Kindheit begleitet. Ich habe eine Schulung zur Teamleiterin gemacht und organisiere seit 2020 regelmäßig deutsch-polnische Austauschprojekte – historische, kulturelle, künstlerische. Das ist ein sehr wichtiges Thema für mich.“

Begegnung mit der deutschen Minderheit in Oppeln

Eine der Organisationen, mit denen sie zusammenarbeitet, ist Aktion West-Ost e.V. Sie organisierte 2022 eine Schulung in Köln, wo sie Jugendliche der deutschen Minderheit aus Oppeln kennenlernte. „Es hat Klick gemacht – da ist jemand, der mir ähnlich ist. Ich bin nicht allein mit dieser Geschichte“, erinnert sich Oliwia.

Für ihr erstes Studium folgte Oliwia ihrer Leidenschaft für Kunst. Sie absolvierte die Kunstakademie, wo sie ihre Liebe zur Fotografie entdeckte. Nach einem Jahr Pause in Berlin entschied sie sich für den Studiengang Interdisziplinäre Europastudien am Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau.

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„Heute beschäftige ich mich mit deutsch-polnischen Beziehungen, Erinnerungskultur auf beiden Seiten der Grenze, Regionalgeschichte – insbesondere Niederschlesiens – und Fotografie.“

Die Bedeutung der verlorenen Brücken und die Masterarbeit

Aus dieser Verbindung von Interessen entstand eine Idee, die sich zu ihrer Masterarbeit entwickelte. Sie entstand während Oliwias Sommerreise nach Forst (Lausitz), einer Stadt direkt an der polnischen Grenze. Oliwia nutzte die direkte Zugverbindung und ihre Vorliebe fürs Radfahren, um die Gegend zu erkunden. Zu ihrer Überraschung wurde auch Forst – wie Görlitz und Frankfurt an der Oder – nach dem Krieg geteilt: in das deutsche Forst und das polnische Zasieki. Der polnische Teil am rechten Neißeufer wurde fast vollständig nach 1945 abgetragen. Die Ziegelsteine wurden vermutlich für den Wiederaufbau Warschaus verwendet. Heute erinnert auf polnischer Seite nur wenig an die einstige Stadtstruktur, doch die Reste zweier Brücken – der Langen Brücke und des sogenannten Seufzerstegs – bezeugen das ehemalige Stadtbild. Die Lange Brücke war ein großer, massiver Bau mit gut erhaltenen Pfeilern. Der zweite, kleinere Fußgängerübergang, der Seufzersteg, dessen Namensgeber das frühere nahegelegene Finanzamt war – ist ebenfalls teilweise erhalten geblieben, obwohl das Mittelstück zerstört wurde.

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„Beim Spaziergang durch die Ruinen, mit dem Blick auf das lebendige Stadtbild auf der deutschen Seite der Neiße spürte ich die starke Symbolik des Ortes: das Bedürfnis, den Fluss zu überqueren, das aber wegen der fehlenden Brücke unerfüllt bleibt. Dieses Gefühl des Nicht-Erreichens wurde für mich zum Ausgangspunkt für ein tieferes Interesse am Thema. Ich sah darin ein Symbol für die Nachkriegstrennung und die historische Kontinuität im Raum“, erinnert sich Oliwia.

Oliwia selbst ist wie eine lebendige Brücke – sie verbindet zwei Länder, zwei Identitäten und zwei Sprachen und baut so Brücken des Miteinanders und der Zusammenarbeit an einer Grenze, die für sie nicht trennt, sondern eint.

Sie analysierte alle Brücken, die 1945 existierten oder danach gebaut worden waren, dokumentierte ihren heutigen Zustand und fotografierte jeden der 112 Orte entlang von Oder und Lausitzer Neiße. Die meisten dieser Brücken wurden von der sich zurückziehenden Wehrmacht zerstört und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut – das Thema blieb jahrzehntelang tabu. Das Projekt erhielt dadurch eine dokumentarische, aber auch emotionale und identitätsstiftende Dimension. Drozdowicz verband eine einjährige Recherche mit praktischer Feldarbeit, fand historische Fotos und dokumentierte die Orte. Sie bereiste mit dem Fahrrad die Grenze, fotografierte sowohl noch bestehende als auch die Überreste ehemaliger Brücken.

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Anerkennung und die Bedeutung für die deutsch-polnische Debatte

Oliwias Projekt blieb nicht unbeachtet. Während einer wissenschaftlichen Konferenz des DAAD im brasilianischen Porto Alegre präsentierte sie ihr Forschungsvorhaben in Form eines wissenschaftlichen Posters, das als bestes der Veranstaltung ausgezeichnet wurde. Am 10. Juli verteidigte Oliwia ihre Masterarbeit.

„Brücken haben für mich eine große Bedeutung, weil ich mich selbst als Polin und Deutsche empfinde. Die Verbindung beider Kulturen ist zentral für meine Arbeit – insbesondere bei bilateralen Projekten. Ich finde, dass deutsch-polnische Themen weiterhin Teil der öffentlichen Debatte bleiben müssen, auch wenn sie schwierig oder kontrovers sind. Die Diskussion zum Beispiel um das Denkmal für polnische Opfer der deutschen Besatzung Polens zeigt, wie komplex diese Fragen sind. Aber gerade deshalb dürfen wir ihnen nicht ausweichen.“

Die Ausstellung „Granica Przyjaźni // Freundschaftsgrenze“ von Oliwia Drozdowicz wird im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen vom 22. Juli bis zum 30.08. zu sehen sein.

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