Versöhnung leben – die Geschichte von Greta und Benedykt Reschke
Benedykt und Greta Reschke aus Gdingen feierten ihre Eiserne Hochzeit, also den 65. Hochzeitstag. Schon die Tatsache, dass sie gemeinsam 65 Jahre in guter Gesundheit verbracht und drei Kinder, sieben Enkel und sieben Urenkel großgezogen haben, ist heutzutage eine Seltenheit – etwas, das Bewunderung verdient. Doch nicht nur wegen dieser „Leistung“ sind die Reschkes in Gdingen, in Pommern und sogar in Polen und Deutschland bekannt.
Ein Leben voller Liebe – 65 Jahre gemeinsam
Die Jubiläumsfeier fand am 21. Juni in Heidemühl/Borowy Młyn statt – Benedykts Heimatdorf. Zuerst in der örtlichen Kirche, dann in einem Bauernhof mit Agrotourismus. Die Feier hatte den Charakter einer echten Hochzeit. 70 Gäste nahmen teil: die ganze Familie, nähere und entferntere Bekannte sowie offizielle Gäste. Denn an diesem Tag erhielt Benedykt Reschke die Medaille „Für Verdienste um die deutsch-polnische Versöhnung“, die ihm vom Marschall der Woiwodschaft Pommern verliehen wurde. Genau deshalb sind Benedykt und Greta bekannt und werden geschätzt.
Dass sie sich ihr ganzes Leben lang für die Versöhnung eingesetzt haben, hängt mit ihrer Herkunft zusammen. Beide sind Kaschuben aus deutschen Familien. Die Familie Reschke gelangte nach dem Ersten Weltkrieg nach Polen, und die Staatsgrenze verlief direkt an ihrem Feld. Gretas Vater, Herr Mühl, bekam in den 1930er Jahren – als Gdingen im Aufbau war – eine gute Stelle in der Werft, wo er auch nach dem Krieg blieb. Sie lebten also in Polen, fühlten sich jedoch nicht als Polen – was bei den Kaschuben damals wie heute nicht ungewöhnlich ist. Beide besuchten pädagogische Gymnasien. Kennengelernt haben sie sich an Weihnachten 1959 über Benedykts Schwester, die damals in Gdingen lebte. Es funkte sofort. Im Mai 1960 heirateten sie, und zehn Monate später wurde die erste Tochter – Alicja – geboren. Das junge Paar zog bei Gretas Mutter ein, die bereits verwitwet war.

Foto: Familienarchiv
„Meine Schwiegermutter war großartig – klug und hilfsbereit. Wir haben uns immer gut verstanden“, erinnert sich Benedykt.
Beide verbesserten später ihre pädagogischen Qualifikationen und unterrichteten am Gymnasium Nr. 4 in Gdingen, bis sie Ende der 1980er Jahre in Rente gingen. Der Ruhestand bedeutete für sie jedoch keinen Rückzug, sondern wurde zur Zeit intensiver Tätigkeit im Verband der deutschen Minderheit in Gdingen – und darüber hinaus.
Engagement für Verständigung und Erinnerung
Wie alles begann: „Meine erste Stelle bekam ich 1958 in Pritzig/Przytocko, Pommern. Dort erfuhr ich, dass die Schule noch im Vorjahr eine deutsche Schule gewesen war. Das hat mich sehr interessiert, also begann ich zu forschen: Wie konnte es sein, dass es in Polen – wo Deutsch verboten war – deutsche Schulen gab?“, erzählt Benedykt.
Das Ergebnis dieses Interesses: Er schrieb mehrere Bücher zu dem Thema. Denn im westlichen Pommern gab es etwa 70 deutsche Schulen, die sowohl zur stalinistischen Zeit als auch unter Gomułka weiterexistierten.
5 Jahre Liebe, Engagement und Versöhnung – eine Lebensleistung, die Brücken baut.
Die Geschichte mit dem Verband der deutschen Minderheit in Gdingen begann so: Zuerst wurde eine deutsche Organisation in Danzig gegründet. Die Mitglieder aus Gdingen, darunter auch Benedykt und Greta, nahmen an deren Treffen teil.
„1995 beschlossen wir, nicht mehr ständig nach Danzig zu fahren und gründeten unsere eigene Organisation. Im Februar 1996 wurde unser Verband gegründet. Ich wurde zum Vorsitzenden gewählt – und bin es bis heute“, berichtet Benedykt.
Schon bald begann der Verband, nicht nur seine Mitglieder, sondern die ganze Öffentlichkeit an die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten zu erinnern: den Untergang des Kreuzfahrtschiffes „Wilhelm Gustloff“, das im Januar 1945 von einem russischen U-Boot versenkt wurde. Tausende Menschen flohen damals über die Ostsee aus Pommern und Ostpreußen. Dies war die erste Gedenkveranstaltung zu diesem Ereignis in Polen – und möglicherweise weltweit. Denn in Deutschland wagte sich damals kaum jemand daran.

Foto: Familienarchiv
„Alles fing 1952 an, als mir der Onkel meiner Frau heimlich von dieser Katastrophe erzählte. Ich war tief bewegt und begann, mich zu informieren. Dabei erfuhr ich, dass die Russen noch zwei weitere Flüchtlingsschiffe versenkt hatten – die ‚Steuben‘ und die ‚Goya‘. Erst nach dem Ende des Kommunismus konnte man offen darüber sprechen. Wir begannen mit einem Gedenkgottesdienst für die Opfer der ‚Gustloff‘. Später nahmen wir auch die Opfer der anderen beiden Schiffe mit auf – in Zusammenarbeit mit der Seemannsmission in Gdingen. So ist es bis heute geblieben. Inzwischen nimmt sogar die Bürgermeisterin von Gdingen, Aleksandra Kosiorek, an der Gedenkfeier teil. Heute wird viel darüber gesprochen und geschrieben. Meine Frau ist sehr engagiert – jedes Jahr schreibt sie ein Gedicht zur Erinnerung an die Tragödie“, erzählt Benedykt weiter.
Aber auch seine Heimat Heidemühl/Borowy Młyn hat Benedykt nie vergessen. Er hat den Kontakt nie abgebrochen, schreibt Bücher über die Geschichte seiner kleinen Heimat – der Gochy. Die Schule lädt ihn regelmäßig zu Gesprächen mit der Jugend ein – und er nimmt diese Einladungen gerne an.
Die Kraft der Gemeinsamkeit
Wie haben sie es geschafft, 65 Jahre gemeinsam zu verbringen – und dabei so viel für andere zu tun?
„Wir haben eine ähnliche Herkunft, ähnliche Interessen und ein ähnliches soziales Verantwortungsgefühl. Das verbindet uns am meisten. Natürlich hatten wir auch Meinungsverschiedenheiten – aber wir haben immer nach Einigung gesucht. Das ist das ganze Geheimnis. Und weil Gott uns mit Gesundheit beschenkt hat – durften wir all das nicht ungenutzt lassen“, fasst Benedykt Reschke zusammen.