„Haus Oberschlesien“ in Gleiwitz: Vom Luxushotel zum Sitz der Stadtverwaltung

wochenblatt.pl 1 godzina temu

Die edelste Adresse in Gleiwitz

Wer heute am Gleiwitzer Stadtamt vorbeikommt, sieht vor allem einen Verwaltungssitz, dessen Entstehung die meisten wohl in den 1950er Jahren verorten würden. Dabei war das Gebäude bei der Eröffnung im Jahr 1928 als „Haus Oberschlesien“ eines der modernsten und elegantesten Hotels der Region.

Die Teilung Oberschlesiens 1922 generierte Verlierer, aber auch Gewinner. Zu den Letzteren gehörte Gleiwitz, wohin sich viele Firmensitze aus Kattowitz verlagerten. Dies brachte nicht nur gut bezahlte Arbeitsplätze in die neue Grenzstadt, sondern führte auch zu einem stark gestiegenen Geschäftsverkehr. Dem war die damalige Hotellerie quantitativ und vor allem qualitativ nicht gewachsen, weshalb die Stadt 1923 einen Bauplatz an der Wilhelmstraße (heute: ul. Zwycięstwa) an einen Investor zum Bau eines Hotel- und Bürogebäudes verkaufte. Den Entwurf hierfür lieferte das Breslauer Architektenbüro Gaze und Böttcher. Die Hyperinflation des Jahres 1923, der schwierige, nasse Baugrund sowie der Bankrott der Baufirma hielten den Bau des neuen Hotels jahrelang auf. Schließlich griff die Stadt Gleiwitz ein, wodurch 1926 die Bauarbeiten fortgesetzt werden konnten.

Stadtamt Gleiwitz 2025.
Foto: Martin Wycisk

Feierlich wurde das Haus Oberschlesien am 29. Juni 1928 eröffnet. Das fünfstöckige „HO“, wie es im Volksmund bezeichnet wurde, war dabei mehr als ein Hotel mit 110 Zimmern. Als multifunktionaler Bau beherbergte es zwei Restaurants, ein Café, Veranstaltungssäle, einen Bierkeller und Firmenbüros. Das Gebäude beeindruckte durch moderne Ausstattung und künstlerische Gestaltung. Hervorzuheben sind die Wandgemälde des Malers und Grafikers Adolf Münzer. In den Bildern zu Themen wie „Das Leben“, „Der Tanz“ und „Die Musik“ waren auch regionaltypische Motive wie Bergmänner und die Schönwälder Tracht dargestellt. Auf dem Vorplatz wurde zur Zierde ein Brunnen mit drei tanzenden Faunen aufgestellt. Dieser inspirierte schnell die Einheimischen zu Scherzen. Der bekannteste ist wohl die Interpretation der drei tanzenden Gestalten als Oberbürgermeister von Beuthen, Gleiwitz und Hindenburg, die sich über den Zusammenschluss ihrer Städte stritten.

„Das Haus Oberschlesien war als Symbol der neuen Zeit und der neuen Architektur mitten in die Stadt hineingestellt.”
Horst Bienek, Die erste Polka

Das HO wurde schnell zum Mittelpunkt des wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Dazu gehörten sowohl Tanzveranstaltungen und Kabaretts als auch der Besuch hoher Gäste. So war Reichspräsident Paul von Hindenburg 1928 zu einem Arbeitsfrühstück zu Gast, wonach er sich in die goldenen Bücher von Gleiwitz und Beuthen eintrug. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten fanden in dem Monumentalbau auch Parteiveranstaltungen der NSDAP statt.

Kriegsbeschädigungen und neue Funktion

Bei der Eroberung von Gleiwitz im Januar 1945 wurde das Haus Oberschlesien von einrückenden sowjetischen Soldaten in Brand gesteckt und schwer beschädigt. Die neue polnische Verwaltung entschied, das abgebrannte HO als Sitz der Stadtverwaltung wiederherzustellen. Diese Entscheidung war den damaligen politischen Bedingungen geschuldet: Einerseits brauchte in der Nachkriegszeit und auf dem Weg zum Sozialismus niemand ein Luxushotel, andererseits war bereits der deutschen Verwaltung bewusst, dass das alte Gleiwitzer Rathaus auf dem Marktplatz längst viel zu klein war, ein Neubau jedoch bis 1945 nicht umgesetzt worden war.

Wandmalerei im HO – „Oberschlesien im Bild“, 1928, Nr. 47 – Śląska Biblioteka Cyfrowa

Mit dem Wiederaufbau wurde der aus Lemberg vertriebene Architekt Tadeusz Teodorowicz-Todorowski beauftragt. Dieser wurde 1950 abgeschlossen. Im Vergleich zum luxuriösen Originalbau fiel der Wiederaufbau jedoch deutlich schlichter aus. Neben der Stadtverwaltung hatte hier auch die Zentrale Verwaltung der chemischen Industrie in Gleiwitz ihren Sitz. Wegen dieser zweiten Funktion wurde auf dem Dach des Gebäudes ein Neonschriftzug „Chemie – ernährt, heilt, baut“ angebracht. Seit der Wende 1989 hat das Gebäude nur noch eine kommunalpolitische Funktion. So hat hier u. a. der Gleiwitzer Stadtpräsident seinen Sitz. 1995 wurde das Stadtamt renoviert, und das heutige Erscheinungsbild ist Folge eines Umbaus im Jahr 2017.

Ein literarisches Denkmal

Ohne Horst Bienek wäre das Haus Oberschlesien heute wohl gänzlich vergessen. Da er in seinem Roman Die erste Polka von 1975 hier jedoch einen wichtigen Teil der Handlung lokalisierte, bleibt es manch einem Leser ein Begriff. Bienek selbst schien von der Außenarchitektur des HO wenig begeistert zu sein, die er im Buch wie folgt beschrieb:

„Das Haus Oberschlesien war als Symbol der neuen Zeit und der neuen Architektur mitten in die Stadt hineingestellt, dort, wo ihre Hässlichkeit vielleicht etwas weniger hässlich war, als ein mächtiger grauschwarzer stumpfer Kasten, rechts geflankt von der hier in Beton gezähmten und im Sommer auch trügerisch still dahinströmenden Klodnitz, vorn zur Wilhelmstraße umsäumt von ein paar mageren, kohlenstaubbedeckten Blumenrabatten, davor ein Brunnen, auf dessen Rand drei lebensgroße lüsterne Faune tanzten, leuchtend vor Grünspan.“

Vom Glanz des alten Hauses Oberschlesien mag heute wenig übrig sein, doch dank des Gleiwitzer Autors lebt es in der Literatur weiter.

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