Der Gurkenkönig und seine Stadt – eine kulinarische Geschichte aus Liegnitz
Liegnitz und seine Umgebung waren einst für den Gemüseanbau und die Verarbeitung von Feldfrüchten berühmt. Der Güterbahnhof arbeitete auf Hochtouren – kein Wunder, denn hier kreuzten sich die Verkehrswege zwischen Breslau, Oberschlesien und Waldenburg. In der ganzen Region existierten zahlreiche Betriebe, die sich auf Sauerkonserven spezialisierten, insbesondere auf Gurken. Die sogenannte „Schlesische Gurke“ stammte nämlich aus Liegnitz. Die Gurkenindustrie bot vielen Menschen Arbeit, war aber stark von Wetterbedingungen abhängig, die Ernteerträge und Liefermengen bestimmten.
Ernteherausforderungen und Preisregulierung in Schlesien
Die Schlesische Volkszeitung (1931) berichtet, dass infolge langer Trockenheit und kalter Nächte die Gurken in den Liegnitzer Anbauflächen von Krankheiten befallen wurden und die Ernte spärlich ausfiel. Auf der anderen Seite verzeichnete der Breslauer Gemüsemarkt ein hohes Interesse am Großhandel mit Einlegegurken; auch die Angebote für Senfgurken wurden als zufriedenstellend bewertet. Natürlich regulierte man auch die Preise für frische Gurken im Einzelhandel, um Spekulationen zu vermeiden. So erließ am 20. August 1917 der amtierende Landespräsident in Schlesien, Adalbert Freiherr von Widmann, eine entsprechende Verordnung über Höchstpreise – abhängig von Größe, Qualität und der verkauften Menge frischer Gurken (unter 10 kg).

Foto: Małgorzata Janik
Die Kunst des Einlegens: Traditionelle schlesische Methoden
Das Einlegen von Gurken war immer eine Art Mission. Je nach Vorlieben wurden in den Familien beachtliche Mengen nach bewährten Rezepten verarbeitet. Viele praktische Hinweise finden sich in alten Ratgebern und in der saisonalen Presse. Laut Heerwegener Stadtblatt (1938) sollte man zur längeren Haltbarkeit der Sauergurken die Fässer ins Wasser stellen und für die Würze nicht auf Weinlaub oder Kirschblätter zurückgreifen, sondern allein auf Dill und Estragon. Die klassischen Gefäße oder riesigen Steintöpfe mit Eichenbeschwerung sind heute kaum noch in Gebrauch, stattdessen landen die Gurken im Glas – nicht zuletzt aus praktischen Gründen. Die gewünschte Knackigkeit und der würzige Geschmack lassen sich mit Dilldolden und Estragonzweigen erreichen, der in diesem Sommer üppig blüht – und aus eigener Erfahrung kann ich diese Methode bestens empfehlen.

Mehr als nur ein Gemüse: Die Gurke in der schlesischen Kultur
In der Zeitschrift Schlesien von 1925 erschien ein Sonderheft „Die schlesische Gurke“. Wie man sich denken kann, drehte sich darin alles um das grüne Gemüse: Geschichten aus dem schlesischen Gurkenland, ein Preislied der Gurke, eine Abhandlung über ihre Bedeutung für die Weltwirtschaft, ihre heilkundlichen Eigenschaften – und sogar ein in Dialekt verfasster „Gurkenbrief“. Eine faszinierende Publikation und eine herrliche Erinnerung daran, wie ein einfaches Gemüse ganze Traditionen prägen konnte.

Rezept: Schlesische Salzgurken traditionell einlegen
Und so kochen wir Gurken ein:
3 kg kleine, feste Gurken
2 lange Stängel Dill mit Dolden
Frischer Estragon
Meerrettich (Wurzel und Blätter)
Knoblauch
Senfkorn
1 ½ L sprudelndes Wasser
3 EL Salz
Einmachgläser (beliebige Größe, min. 0,4 L)

Die Gurken waschen, abspülen und abtrocknen, mit Salz einreiben und über Nacht stehenlassen. Den Boden im Glas mit grünen Meerrettichblättern belegen. Die Gurken abwechselnd mit dem Dill, Estragon, geschnittener Meerrettichwurzel, Knoblauch und Senfkorn fest hineinschichten. Mit Salzlösung (2 EL Salz auf 1 Liter sprudelndes Wasser) übergießen. Die Gurken müssen von der Lake vollständig bedeckt sein. Zum Schluss die Gläser sorgfältig verschließen.

Die Gläser mit eingelegten Gurken etwa drei bis vier Tage in der Küche stehenlassen. Dann müssen sie an einen kühleren Ort. Nach ca. zwei Wochen sind die Sauergurken zwar fertig, aber erst nach ein bis zwei Monaten sind sie perfekt durchgezogen. Einfach ausprobieren. Sie schmecken prima.

Wissenswertes: Gurkenfest und Gurkenkönig in Liegnitz
Im Jahr 1930 wurde in Liegnitz eine Warenbörse eröffnet – die erste in dieser Region, nach niederländischem Vorbild organisiert.
Jedes Jahr wählte man einen „Gurkenkönig“, und beim „Gurkenfest“, einer Art Erntedankfeier, wurden die Gäste mit Getränken, Würstchen und gutem Kuchen bewirtet. An Gurken auf der Speisekarte fehlte es selbstverständlich nicht.