Mit einer Ausstellung im Barockhaus Görlitz feiern die dortigen Numismatiker ihren 120. Geburtstag. Ihr Vorsitzender Uwe Elix hat den Zugang zum Thema „Geld als Spiegelbild der Veränderungen“ vor allem über die Geschichte sowie Familiengeschichten gefunden.
Eine Reihe historischer Sparbücher liegt bei Uwe Elix auf dem Fußboden und wird von ihm gerade mit der Überschrift drapiert: „Görlitzer Sparbücher 1908-1990 – Zeitzeugen für Kunst, Wirtschaft, Politik“. Es stellt sich schnell heraus, die Sammelgebiete des Vorsitzenden des Numismatischen Clubs zu Görlitz e. V. sind breit gefächert und bleiben beim Thema Geld nicht bei historischen Münzen, Medaillen oder Banknoten stehen, sondern umfassen letztlich jede Form geldwerter Systeme. Vornehmlich schlesische Notgeldscheine aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, Lebensmittelmarken aus Kriegs- und Nachkriegszeiten gehören dazu und eher nebenbei berichtet er davon, dass er wohl die umfassendste Sammlung an Ersatzgeldmarken für Asylbewerber habe. Nein, es gebe dazu bislang keinen Sammlerkatalog. Aber wenn jemand einen solchen zusammenstellen könnte, dann wohl nur Uwe Elix.
Flohmarkt-Fundstücke
Geschichte spielt sich eben immer ab, und die verschiedenen Geldsysteme sind immer auch ein interessantes Spiegelbild der Veränderungen ihrer Zeit.
Das alles habe er auf Flohmärkten oder über ebay zusammengetragen. Die Grenznähe hat natürlich nach 1990 viele neue Bezugsquellen erschlossen, denn auf so manchem Dachboden fanden Polen Relikte aus deutschen Tagen, die sich gut zu heute gültigem Geld ummünzen ließen. Mancher Pole indes ist selber zum Sammler geworden, der nun an den Wurzeln der neu gefundenen Heimat mitforscht. Uwe Elix spürt das immer wieder bei Sammlerbörsen. Zu seiner Arbeit auf dem Teppichboden kommentiert er: „Ich denke, damit dürfte ich wohl die vollständigen Titelbilder der Sparbücher zusammengetragen haben. Eines, das jetzt noch fehlt, dürfte heute per Post kommen. Auch das muss ja mit in die Ausstellung.“
Schlesische Festplaketten
Im Kulturhistorischen Museum in der Görlitzer Neißstraße 30 werden noch bis zum 26. Oktober unter anderem etwa Medaillen und Festplaketten aus Niederschlesien oder Notgeld von den Görlitzer Nachrichten und dem Anzeiger – auch für drei pommersche Städte – gezeigt. Hintergrund der Ausstellung in der zwischen Deutschland und Polen geteilten Stadt ist, dass die Görlitzer Numismatiker ihren 120. Geburtstag feiern. Der Ausstellungsort ist dabei letztlich auch nur 100 Meter von der Neißegrenze entfernt – nirgends flanieren Deutsche und Polen in „ihrer Stadt“ quasi paritätischer durch ihre gemeinsame Altstadt.
In dieser deutsch-polnischen Geschichte sieht sich auch Uwe Elix historisch fest verwurzelt und hat viele Sammelschwerpunkte über Geschichte und Familiengeschichte gefunden. Einer der letzten Vorträge seines Vereins betraf Gerhart Hauptmann im Spiegel der Numismatik. Und weil man mit den historischen Perspektiven stets über den Tellerrand schaue, sei das eben auch für viele attraktiv, die selbst vielleicht gar nicht sammeln oder als Sammler anders unterwegs seien.
Historische Anknüpfung
Und schon zückt Uwe Elix weitere Ordner hervor, die zeigen, wie er über die Geschichte immer neue Anknüpfungspunkte findet. Seine Mutter stamme aus Rothwasser (Czerwona Woda) bei Kohlfurt (Węglinec), sein Vater aus dem Kreis Samter (Szamotuły) bei Posen (Poznań). Daher sei dieser gleich zweimal vertrieben worden – nach dem 1. Weltkrieg aus der preußischen Provinz Posen, nach dem 2. Weltkrieg aus Sommerfeld (Lubsko) in der Niederlausitz östlich der Neiße, wohin es ihn nach der ersten Vertreibung verschlug. Eigentlich ist es noch komplizierter, denn eine Kinderverschickung brachte faktisch auch noch die Vertreibung aus dem ebenso nahen Sudetenland mit sich.
Heu-, Stroh- und Seifenmarken
Zu all diesen Komplexen hat Uwe Elix, der nach der Wende viele Jahre einen Supermarkt in Hamburg-Eppendorf führte, eine Fülle an Dokumenten, die ebenso feinsäuberlich in Folien zusammengestellt sind. Aber auch bei diesem Ordner ist es natürlich nicht geblieben, denn ein anderer birst über mit Dokumenten wie Umsiedlerkarten von Galiziendeutschen ins Baltikum oder Schriftverkehr deutscher Besatzungsbehörden im Landkreis Hrubieszów am Bug zur Heu- und Strohzuteilung oder zum Bezug von Seife in Krakau. Eigentlich ist auch das alles irgendwie im Sammelgebiet Numismatik, denn fast alles dokumentiert die Verteilung geldwerter Leistungen. Der Blick über die Regionalgeschichte führt Deutsche, Polen und Tschechen in diesem „Dreiländereck-Hotspot“ der Geschichte immer wieder zusammen und erlaubt viele Perspektivwechsel des Alltags. Sie alle münden stets in der Frage: Wieso lebte dieser oder jener eigentlich genau hier?
Till Scholtz-Knobloch/kan