Sprachreise ohne Koffer – Bayern trifft Schlesien
Was haben Schlesien und Bayern gemeinsam? Dieser Frage gingen Schülerinnen und Schüler der Grundschule des Dorfentwicklungsvereins in Grodisko am 21. und 22. Mai bei einem besonderen Projekt auf die Spur. Im Rahmen eines kulturellen Sprachworkshops lernten die Kinder nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die Geschichte, Traditionen und Persönlichkeiten beider Regionen kennen.

Foto: Victoria Matuschek
Ein interaktives Lernprojekt mit viel Praxisbezug
Der Workshop wurde von Mariella Marzo, Studentin der Universität Passau und Praktikantin beim Verband der deutschen Gesellschaften (VdG), geleitet. Er richtete sich an die 4., 6., 7. und 8. Klassen der Schule und war Teil eines größeren Engagements zur Förderung der deutschen Sprache als Minderheitensprache in Schlesien.
Mariella berichtet: „Ich war anfangs ziemlich nervös, weil ich normalerweise nicht gerne vor einer Gruppe spreche. Trotzdem war es eine gute Gelegenheit, mal etwas Neues auszuprobieren. Da es eine kleine Schule mit kleinen Klassen war, war die Durchführung der Workshops auch einfacher.“ Sie fügt hinzu, dass die Anwesenheit der Schulleitung oder einer Lehrerin und ihrer Praktikumsbetreuerinnen ihr zusätzliche Sicherheit gab.
Alltagsnah, kreativ, verbindend: So geht moderne Sprachförderung.
Der Einstieg erfolgte mit dem gemeinsamen Lesen einer Kurzgeschichte über die Heilige Hedwig, die in Oberbayern geboren wurde und später als Herzogin von Schlesien wirkte – ein anschauliches Beispiel für die historische Verbindung der beiden Regionen. Anschließend erkundeten die Schülerinnen und Schüler Landkarten von Bayern und Schlesien, trugen Städte, Flüsse und Seen ein und beschäftigten sich mit Steckbriefen bekannter Persönlichkeiten wie Lukas Podolski und Elisabeth von Österreich („Sissi“). Dabei wurden sie aktiv in gegenseitige Befragungen eingebunden.
Traditionen und Bräuche aus beiden Regionen wurden spielerisch erraten, und ein Kahoot-Quiz zum bayerischen Dialekt sorgte für besondere Begeisterung. Im Freien ‚besuchten‘ die Kinder in kleinen Gruppen bayerische und schlesische Sehenswürdigkeiten, wie Schloss Neuschwanstein und das Silberbergwerk Tarnowitz: Sie betrachteten Bildmaterial, lasen kurze Infotexte und beantworteten Fragen auf vorbereiteten Bögen. Den Abschluss bildete ein gemeinsames Rollenspiel „Restaurantbesuch“, bei dem die Schülerinnen und Schüler regionale Spezialitäten beider Kulturen bestellten – eine Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse alltagsnah und praktisch anzuwenden.

Foto: Victoria Matuschek
Methodenvielfalt und besondere Momente
Bereits im April hatte Mariella Sprachworkshops mit Mathematikaufgaben für die Schülerinnen und Schüler der Grundschule in Grodisko entwickelt. Die Studentin erklärt, wie sie die Workshops vorbereitet hat: „Ich habe verschiedene Kompetenzen wie Leseverstehen, Hörverstehen und Sprechkompetenz kombiniert und dazu unterschiedliche Aufgaben erstellt. Besonders gut kamen die interaktiven Übungen an, vor allem die allerletzte Übung, bei der die Schülerinnen und Schüler in einem Rollenspiel mithilfe eines Dialogs und mit Spielgeld in einem Supermarkt einkaufen gehen mussten. Die Übung hat allen Spaß gemacht, auch den zurückhaltenden Schülerinnen und Schülern“. Sie reflektiert auch über Verbesserungen: „Beim zweiten Workshop habe ich zu viele Aufgaben vorbereitet, wodurch die Aufmerksamkeit der Kinder gegen Ende etwas nachließ. Am nächsten Tag habe ich dann Themen weggelassen, und das Ganze hat besser funktioniert. Beim nächsten Mal würde ich darauf achten, dass es nicht zu viel für die Schülerinnen und Schüler wird.“

Foto: Victoria Matuschek
Besonders bewegt hat sie, wenn schüchterne Kinder sich getraut haben, aktiv mitzumachen: „Es hat mich immer gefreut, wenn sich die schüchternen Schülerinnen und Schüler getraut haben, etwas zu sagen oder an Übungen teilzunehmen und ihre Antworten dann auch noch richtig waren.“
Herausforderungen und Perspektiven der Deutschförderung in Schlesien
Die Deutschkenntnisse der Kinder sind unterschiedlich ausgeprägt. Mariella berichtet: „Die meisten Schülerinnen und Schüler hatten Schwierigkeiten, frei in ganzen Sätzen zu antworten. Es war oft notwendig, ihnen Sätze und Dialoge vorzugeben, an denen sie sich orientieren konnten. Es gab aber auch Personen mit besseren Deutschkenntnissen, die ihren Mitschülerinnen und -schülern helfen konnten“. Das Interesse der Kinder liegt mittlerweile oft eher bei Englisch, wie die Deutschlehrerin Susanna Wilkowski bestätigt, was sich auch darin zeigt, dass die Schülerinnen und Schüler englische Wörter im Deutschunterricht verwenden.

Foto: Victoria Matuschek
Edyta Opyd, Bildungsberaterin beim VdG, hebt die Bedeutung der Workshops hervor: „Als VdG unterstützen wir Bildungsinitiativen, die das Erlernen von Deutsch als Minderheitensprache zum Ziel haben. Die Zusammenarbeit mit der Schule in Grodisko ist sehr eng und offen. Die Schülerinnen und Schüler der Schule haben bereits an Sprachworkshops teilgenommen und zum Beispiel die Bildungsplattform der Deutschen Minderheit supereule.pl kennengelernt. Die Workshops sind kommunikativ ausgerichtet, um die Sprachkompetenz der Kinder zu stärken“. Sie betont, dass die Beteiligung von Praktikantinnen aus Deutschland eine lebendige, interaktive Vermittlung von Sprache und Kultur ermöglicht: „Die Kinder reagieren eifrig und mit Freude auf die Aktivitäten, was für den Lernerfolg entscheidend ist“.
Zur Bedeutung solcher Projekte für den Erhalt der deutschen Sprache in Schlesien sagt Edyta: „Projekte, an denen Menschen aus Deutschland beteiligt sind, sind eine gute Gelegenheit für internationale Zusammenarbeit im Kleinen, für ganz normale, alltägliche Kontakte, für den Austausch von Informationen und das Kennenlernen des Nachbarlandes. Das Wichtigste ist die Kommunikation auf Deutsch, deshalb versuchen wir, die Workshops interaktiv zu gestalten“. Sie kündigt an, dass bei Gelegenheit gerne mit neuen Ideen an die Schule zurückgekehrt werden soll.

Foto: Victoria Matuschek
Bedeutung und Ausblick
Solche Initiativen sind besonders wichtig angesichts des Lehrermangels und der Herausforderungen im Bildungssystem, die in Oberschlesien spürbar sind. Die spielerische Vermittlung von Sprache und Kultur hilft den Kindern, ihre Wurzeln zu entdecken und Deutsch als lebendige Sprache zu erleben. Mariella fasst zusammen: „Ich würde so ein Projekt auf jeden Fall nochmal machen. Es hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben, und ich denke, es war für die Schülerinnen und Schüler interessant und hilfreich, mal jemanden aus Deutschland zu treffen und zu hören“.

Foto: Victoria Matuschek
Dieser Workshop zeigt, wie durch interaktive und praxisnahe Methoden Sprachförderung lebendig wird und wie Brücken zwischen Regionen und Kulturen gebaut werden können – ein Gewinn für alle Beteiligten.